Der Vaihinger Heimatforscher Dietmar Speidel hat einen besonderen Internetfund gemacht: eine Flasche der Vaihinger Fruchtsäfte, die vermutlich in den 1940er Jahren in die Ukraine gelangte. Aber wie?

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Dietmar Speidel staunte nicht schlecht, als er dieses Angebot auf einer Auktionsplattform im Internet fand: eine Glasflasche mit der Prägung „Vaihingen A F Fruchtsaft G.m.b.H“, mit Porzellan-Bügelverschluss. 0,5 Liter Fassungsvermögen, das auf dem Boden eingeprägte Datum lautet 1942. Der Heimatforscher, der in Stuttgart-Vaihingen aufgewachsen ist, hat nicht lange gezögert und mitgeboten – und den Zuschlag erhalten. Die Flasche hat einen langen Weg hinter sich.

 

Flasche verstaubte jahrzehntelang auf einem Dachboden

Denn: Angeboten hat sie ein Mann aus Charkiw in der Ukraine – Monate bevor Putin Krieg in das osteuropäische Land brachte. „Es handelt sich um einen Dachbodenfund“, sagt Dietmar Speidel. Die Flasche verstaubte vermutlich jahrzehntelang unbemerkt in einem Haus, bevor der Ukrainer sie fand. Vermutlich hat sie von Vaihingen aus den Weg nach Charkiw angetreten – denn hier auf den Fildern gründete Robert Leicht 1930 die Vaihinger Fruchtsaft GmbH. Schon in den Jahren zuvor wurde in Vaihingen Apfelsaft hergestellt. Und Robert Leicht senior hatte 1878 eine Brauerei gegründet, die als Schwaben Bräu bekannt wurde. Bis in die 1990er Jahre wurden im Vaihinger Ortszentrum noch Bier und Fruchtsaft abgefüllt, die Vaihinger Fruchtsäfte gingen in der Niehoffs Vaihinger Fruchtsaft GmbH auf, Schwaben Bräu fusionierte mit Dinkelacker.

Wie die Flasche nach Charkiw kam, darüber kann Speidel nur spekulieren. Sicher ist, dass die deutsche Wehrmacht und SS im Zweiten Weltkrieg in der Ukraine kämpften und wüteten. Die Geschichte beschreibt drei große Schlachten um Charkow, wie die Stadt damals genannt wurde. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine verdrängte der ukrainische Name Charkiw das russische Charkow.

Wie kam die Flasche von Vaihingen in die Ukraine?

1941 sei in Vaihingen in der Kurmärker Kaserne das Panzerregiment 21 aufgestellt worden, es sei im Osten zum Einsatz gekommen. „Meine Vermutung ist, dass ein Soldat des in Vaihingen stationierten Panzerregiments 21 oder vom Panzerregiment 7 oder der Panzerersatzabteilung 7 die Flasche dorthin mitnahm“, sagt Dietmar Speidel. Möglich sei auch, dass sie auf dem Nachschubweg als Verpflegung der Soldaten dorthin kam.

„Vermutlich beim Rückzug der Deutschen 1943 blieb die Flasche dort zurück und wurde bei dem Abbruch eines alten Hauses dort im Dezember 2021 auf dem Dachboden gefunden“, sagt Dietmar Speidel. Noch im selben Monat sei sie zur Versteigerung online eingestellt worden.

Nach fast 80 Jahren hat die Fruchtsaft-Flasche dann den langen Weg zurück nach Deutschland angetreten und ziert nun die Sammlung von Dietmar Speidel.