Vor 50 Jahren zerstörte ein ungewöhnlich starker Tornado Teile der Stadt Pforzheim. Solche Naturkatastrophen könnten sich künftig häufen, sagt ein Experte.

Pforzheim - Der Schrecken war groß am Morgen des 11. Juli 1968. Die Eltern sagten den Kindern bestürzt, was in der auf einen heißen, gewittrigen Sommertag folgenden Abend im nahen Pforzheim geschehen war: Ein Tornado war kurz vor 22 Uhr durch die Stadt gezogen und hatte in kürzester Zeit einige Viertel verwüstet. Rund 1700 Häuser waren zum Teil schwer beschädigt, Hunderte Menschen verletzt, zwei getötet. In der Stadt war Katastrophenalarm ausgerufen worden. Das Viertel, in dem der Schwager wohnte, das war nach einem Telefonanruf am Morgen klar, war nicht betroffen.

 

Die Unruhe war für die Kinder auch in der Schule noch spürbar, die Klassenkameraden sprachen davon, die Lehrer. Über die Region hatte sich eine Art Beklommenheit gelegt, Handwerker – Dachdecker vor allem und Fensterbauer – hieß es, würden alle in Pforzheim gebraucht, damit die Menschen wieder in ihre Wohnungen könnten. Augenzeugen berichteten von den Zerstörungen, mancher ging zur Arbeit nach Pforzheim und kam dann wieder zurück.

Die Schneise, die der Tornado im nur noch kurzen weiteren Verlauf in den Wald geschlagen hatte, blieb lange sichtbar. Jede Fahrt über den Abschnitt der Autobahn 8 zwischen Pforzheim und Heimsheim rief die Katastrophe wieder in Erinnerung – und die Angst des Kindes, die sich jahrelang halten sollte.

Windgeschwindigkeiten bis zu vierhundert Kilometer pro Stunde

Der Wirbelsturm war einer der stärksten, die je in Deutschland registriert wurden. Meteorologen stuften ihn als F4-Tornado ein, die zweithöchste der nur fünfstufigen Skala. Die Windgeschwindigkeiten solcher Wirbelstürme werden mit drei- bis vierhundert Kilometern pro Stunde angegeben. Entsprechend groß waren die Schäden: Auf seinen 35 Kilometern durch den Nordschwarzwald bis hinter Pforzheim zerstörte der Tornado am Abend des 10. Juli rund 2350 Häuser, 300 Menschen wurden verletzt.

Pforzheim mit seinen damals etwa 80 000 Einwohnern war die größte Stadt, die getroffen wurde. Bis zu 600 Meter breit war dort die Spur der Zerstörung, Bäume stürzten auf Häuser, Dächer wurden abgedeckt, Tausende Fenster barsten, ganze Fassadenteile flogen durch die Luft. Hunderte Autos und Lastwagen wurden umhergeschleudert oder umgeworfen, 200 Menschen wurden allein in Pforzheim verletzt, die Kliniken waren überlastet. Auch zwei Sturmtote waren zu beklagen: Im Nordschwarzwald, durch den der Tornado auf Pforzheim zuraste, in der heutigen Gemeinde Straubenhardt, wurde ein Ehepaar in seinem einstürzenden Haus von Trümmern erschlagen.

130 Kilometer hatte der Tornado zurückgelegt, 35 davon in Deutschland. In Pforzheim scheint er sich erschöpft zu haben. Er ist nur noch wenige Kilometer weitergezogen, in der Nähe des kleinen Neubärentals löste er sich schließlich auf.

„Wir sind auf Tornados nicht vorbereitet“

Tornados der Stärke F4 könnten heute ähnlich verheerend wirken wie damals in Pforzheim – und dies trotz neuester Vorhersagetechnik. Dies sagte der Tornadoexperte Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) am Dienstag der dpa. „Die Menschen hier sind einfach nicht vorbereitet auf ein solches Ereignis.“ Im Gegensatz zu den USA, wo in bestimmten Gegenden starke Tornados viel häufiger vorkämen und schon Kinder im Umgang damit geschult würden, wisse hierzulande kaum jemand, wie man sich bei einer Tornado-Gefahr zu verhalten habe.

Statistisch gesehen, sei ein Tornado der Stärke F4, wie er in Pforzheim gewütet habe, in Deutschland überfällig. Ein solches Ereignis komme alle paar Jahrzehnte vor. Den letzten Tornado dieser Stärke habe es 1979 in Bad Liebenwerda (Brandenburg) in der ehemaligen DDR gegeben. Das sei damals aber verschwiegen worden.

Im Zuge des Klimawandels nehme zwar nicht die Anzahl der Tornados, jedoch deren Stärke zu, warnte Friedrich. Seit dem Jahr 2000 zählen die Wetterexperten bundesweit jährlich zwischen 20 und 60 Tornados meist geringer Stärke. Die Zahl unbemerkter Tornados werde auf mehrere Hundert pro Jahr geschätzt.