Deutschland (West) und die Amerikahäuser, wo es Bücher gab, die vorher verboten waren und Filme, die keiner kannte: Schon in den Fünfzigerjahren war das eine sehr innige Beziehung, von der etwas geblieben ist, obwohl in dem Sinne keine Amerikahäuser mehr gibt.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Großbritannien und die USA seien zurzeit weit entfernt davon, noch als „ideale Repräsentanten“ des Westens angesehen zu werden, schrieb zuletzt der deutsche Historiker Heinrich August Winkler, als er in seinem Band „Werte und Mächte“ die Geschichte dieser westlichen Welt rekapitulierte. Der gebürtige Königsberger Winkler, Jahrgang 1938, war ein Kind der Re-Education. Direkt nach dem Krieg öffneten die Franzosen, Engländer und Amerikaner den Deutschen die Augen – mit Literatur, Filmen und Schallplatten, deren Inhalte unbekannt waren. Buchstäblich tat sich eine neue Welt auf.

 

Bücher von Pearl S. Buck und William Faulkner

„Fenster zum Westen“ nannte sich die erste, bescheiden ausgestattete Einrichtung eines Information Centers im hessischen Bad Homburg, ein Vorläufer der später von der deutschen Bevölkerung so genannten Amerikahäuser, die im Sommer 1945, heute vor 75 Jahren, ihre Türen öffneten. Im Prinzip war es nicht mehr als ein Lesezimmer mit Ausgaben von Pearl S. Buck und William Faulkner, zugleich aber die Keimzelle künftiger Amerikahäuser in der Bundesrepublik. Demokratisches Gedankengut und ein positives Amerikabild respektive rigider Antikommunismus wurden vermittelt, wenn auch die meisten zunächst wohl in die Säle strömten, weil es hier warm war.

Auch Proteste immer vor dem Amerikahaus

Nicht waren alle Bücher frei zugänglich, sondern es wurde bei Abendveranstaltungen oft heftig diskutiert, was sich in den 1953 bereits 36 Amerikahäusern auch nicht änderte, als die Militärregierungen schon längst nicht mehr das Sagen hatten. Die Sympathien der Deutschen für die Einrichtung Amerikahaus, im Prinzip ein Propagandainstitut, blieben hoch, selbst als die Trägerschaft auf Vereine überging. Aber natürlich formierte sich auch allfälliger Protest gegen die Regierung in Washington stets vor dem Amerikahaus, wie während des Vietnamkriegs. Im Jahr 1999 war die Bezeichnung obsolet, die Organisation wurde aufgelöst, um manchmal – wie im Fall des Deutsch-Amerikanischen-Zentrums (DAZ) in Stuttgart am Charlottenplatz – zu einem Kulturinstitut mit Sprachschule umgewidmet zu werden. Das Fenster mag kleiner geworden sein, und der Blick auf den Westen ein anderer, indes: Es steht noch offen.