Ausgerechnet vor Charles’ Krönung haben Jamaika und Belize damit gedroht, der britischen Krone Goodbye zu winken. Und für die Windsors gibt es noch schlechtere Nachrichten.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Mit großer Hingabe ist die Stellwand, die König Charles am Samstag bei seiner Weihung zum Monarchen vom profanen Blick der Gemeinde abschirmen soll, von Künstlern gestaltet worden: Auf der Vorderseite ist ein Baum mit 56 hellblauen Blättern zu sehen. Die Blätter stehen für die 56 Staaten des Commonwealth of Nations, dessen Leitung Charles obliegt. In 14 dieser Staaten ist Charles III. als deren König auch Staatsoberhaupt. Die Palette dieser Staaten reicht von Ländern wie Australien, Neuseeland und Kanada bis hin zu einer Reihe karibischer und pazifischer Inseln. Der Verband des Commonwealth umfasst viele der Staaten, die früher einmal Teil des britischen Empire waren, inzwischen aber Republiken sind – das große Indien allen voran.

 

Draußen auf der Prachtstraße Pall Mall, die zum Buckingham-Palast führt, flattern diese Woche neben den zahllosen Union Jacks in bunter Mischung auch Fahnen all dieser eng mit der Krone verbundenen Nationen. Drinnen in der Abtei hofft man auf vielerlei bunte Kostüme, die der Zeremonie am Samstag eine exotische und globale Note verleihen sollen.

Der schöne Schein dieses Spektakels trügt

Zu den anreisenden Gästen, die Charles ihre Aufwartung machen, gehört etwa der Maori-König Kiingi Tuheitia in der neuseeländischen Delegation. Neuseelands Premierminister Chris Hipkins wird persönlich da sein, um dem König „Treue und Gefolgschaft“ zu schwören. Desgleichen Australiens Anthony Albanese.

Aber der schöne Schein dieses Spektakels trügt. Hipkins und Albanese etwa sind in Wirklichkeit überzeugte Republikaner. Beide wollen ihre Länder abkoppeln von der britischen Monarchie. Zwar komme dem „im Augenblick nicht unbedingt größte Dringlichkeit zu“, hat Hipkins im Blick auf die Krönung höflich erklärt. „Aber wenn die Zeit reif ist, werden wir ein vollkommen unabhängiges Land werden.“ Albanese hat ja schon mehrfach versichert, dass ein solcher Schritt für Australien „unausweichlich“ sei.

Als Nächstes plant Jamaika den Abgang

In der Tat droht sich ein Staat nach dem anderen von der Krone loszusagen. Die Karibikinseln Dominica und Trinidad und Tobago und das südamerikanische Guayana haben sich schon vor einiger Zeit verabschiedet aus dem Königreich. Auf Barbados ist die britische Fahne, in Anwesenheit des damaligen Prinzen Charles, vor zwei Jahren feierlich eingeholt worden.

Als Nächstes plant Jamaika den Abgang. An diesem Donnerstag erklärte Jamaikas Verfassungsministerin Marlene Malahoo Forte einer britischen Reporterin, ein Referendum könne schon nächstes Jahr stattfinden. Und mit dem Fall Jamaikas stünde das Purzeln von mindestens sechs weiteren Krondominions, von den Bahamas bis zur Inselgruppe St. Kitts and Nevis, bevor.

Einen Austritt aus dem Commonwealth würde eine solche Trennung von der britischen Monarchie zwar nicht zwangsläufig bedeuten. Aber was Elizabeth II. anlässlich ihrer Krönung 1953 noch ihre „große imperiale Familie“ nannte, wird neuerdings immer mehr zur Geschichte.

Geradezu verärgert reagierten ja zum Beispiel im Vorjahr schon viele Menschen in der Karibik auf einen Besuch des Prinzen William und seiner Frau Kate, die sich nach Ansicht der Einheimischen „wie die großen Herrschaften“ aufführten – und die sich konfrontiert fanden mit leidenschaftlichen Forderungen nach Wiedergutmachungszahlungen für die historischen Verbrechen des Sklavenhandels und der Sklavenhaltung. Aus diesen Verbrechen schlug die Krone seinerzeit reichlich Profit.

Streit über die Sklavereifrage

Generell ist die Sklavereifrage zu einem wichtigen Thema geworden allerorten. Wütend beklagte sich Belizes Premierminister Johnny Briceno darüber, dass Britenpremier Rishi Sunak nicht über Wiedergutmachung sprechen will. Belize könne der Krone sogar noch vor Jamaika Goodbye winken, machte Briceno klar.

Übel genommen hat man „den Briten“ vielerorts in der Karibik auch die jüngste katastrophale Behandlung westindischer Emigranten, die in der Nachkriegszeit zur Arbeit und zum Leben in England eingeladen worden waren, zuletzt aber wieder „nach Hause“ abgeschoben werden sollten – die sogenannte Windrush-Affäre. Nicht wenige „Untertanen“ der Krone fernab der Britischen Inseln horchten auf, als Meghan Markle den Windsors jüngst Rassismus vorwarf.

Mittlerweile prophezeien pessimistische Royalisten in London bereits, dass von den 14 letzten „Kronvasallen“ in wenigen Jahren gar keine mehr übrig sein werden. Unterdessen wachsen auch die Spannungen zwischen Großbritannien und dem Commonwealth. Manche britischen Experten halten es schon jetzt nur noch für eine Frage der Zeit, dass auch das Commonwealth zerfällt, weil seine Existenz längerfristig keinen Sinn mehr ergebe. Die Stellwand in Westminster Abbey ist dafür symbolträchtig: Verdächtig welk nehmen sich die Blätter am dortigen Commonwealth-Baum schon jetzt aus.