Bereits 2018 hat ein junger Böblinger einen schlimmen Unfall verursacht. Nun war er wohl erneut ohne Führerschein unterwegs. Wegen seiner vielen Vorstrafen zeigte das Gericht kein Erbarmen: Der 20-Jährige muss für drei Jahre und zwei Monate hinter Gitter.

Böblingen - Richter Rose schaut auf den Grundriss des Ronda-Parkplatzes in der Calwer Straße. „Jetzt zeigen sie mir noch mal, genau wo das Auto stand“, bittet er einen Polizeibeamten. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass der Richter den Plan zückt. Von fast jedem Zeugen lässt er sich auf der Karte ganz genau zeigen, wie sich die Situation am 24. Januar 2021 abgespielt haben soll. „Verstehen sie mich nicht falsch, ich will es einfach nur verstehen“, fügt er hinzu. Denn dieser Fall wirft viele Fragen bei dem Richter und den Schöffen auf. Zu undurchsichtig und widersprüchlich sind die Aussagen des Angeklagten und zweier Beteiligter. „Für all das fehlt uns hier die Fantasie“, sagt der Richter.

 

Angeblich wollte der Angeklagte in der Nacht auf den 24. Januar nur mit ein paar Freunden vor dem Corona-Alltag fliehen. Deswegen buchten sie zu viert ein Hotelzimmer in Böblingen, um ungestört zu feiern. „Wir wollten zusammen was trinken und unter uns sein“, sagt der 20-Jährige vor Gericht. Doch statt über Nacht zu bleiben, beschloss der Angeklagte gegen 2.30 Uhr nach Hause zu fahren – angeblich gemeinsam mit einem Freund, der sich dann auch ans Steuer des Audis gesetzt haben soll. „Ich hab ja gar keinen Führerschein“, sagt der Angeklagte arglos. An einer Ampel auf der Calwer Straße stand plötzlich ein Streifenwagen neben ihnen. Weil sie Angst vor einer Corona-Strafe hatten, raste der Audi an der Polizei vorbei, direkt auf den Parkplatz der Firma Ronda. Als die Polizei kurz darauf auf dem Parkplatz ankam, fanden sie den leeren und abgeschlossenen Audi. Und den jungen Angeklagten. Versteckt hinter einem blauen Van, vom Freund fehlte jede Spur.

Wer saß in dieser Nacht tatsächlich hinter dem Steuer?

Also fragt sich das Gericht: Wer saß in dieser Nacht tatsächlich hinter dem Steuer? „Wieso sollte ich das machen? Ich habe aus meinen Fehlern gelernt“, behauptet der 20-Jährige immer wieder. Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt, sein Vorstrafenregister lang: mehrere Körperverletzungen, Hehlerei und schwerer Raub. Und keinen Führerschein zu haben, hielt den Anklagten bereits als 17-Jährigen nicht auf. 2018 verursachte er einen heftigen Verkehrsunfall. Damals raste er mit knapp 90 Stundenkilometern über die Kreuzung Wilhelmstraße/ Karlstraße in Böblingen. Hier kollidierte er mit einem Mercedes, der die Kreuzung überqueren wollte. Bei diesem Unfall wurden mehrere Personen schwer verletzt. Der junge Mann wurde für diese Raserei zu zwei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt, 2020 dann vorzeitig entlassen. All das bescherte ihm keinen guten Stand vor Gericht.

„Mein Kumpel ist weggerannt, weil er Angst vor einer Corona-Strafe hatte. Aber ich wollte keinen Ärger und bin deswegen dort geblieben“, erklärt er die Situation. Doch es gibt große Zweifel, dass der Freund tatsächlich anwesend war. Die Polizisten konnten in dieser Nacht auf der Calwer Straße nur eine Person hinter dem Steuer entdecken. Auch am Parkplatz sahen sie niemanden flüchten. „Es war alles gut ausgeleuchtet. Ich hatte den angeblichen Fluchtweg gut im Blick. Vielleicht nur für ein paar Sekunden nicht, als ich geschaut hab, ob der Auspuff noch warm ist“, erzählt die Polizeibeamtin vor Gericht.„Es war Ausgangssperre und damit keine Autos und Fußgänger unterwegs. Sollte er in diesen paar Sekunden geflohen sein, hätten man es hören müssen“, fährt sie fort.

Die vielen Vorstrafen und noch ausstehende Bewährungsstrafen fließen ins Urteil ein.

Im Zeugenstand bestätigt der Kumpel die Geschichte des Angeklagten. Ein befreundeter Taxifahrer solle ihn nach seiner Flucht über die Schlotterbeckstraße beim Burger King abgeholt und nach Hause gebracht haben. Das bestätigt auch der Taxifahrer. Doch dies alles erweist sich für Richter Rose als vollkommen unglaubwürdig. Zudem zeigen die Listen des Taxiunternehmens, dass der Fahrer sich an diesem Wochenende nicht im Dienst befand und auch keine Autos des Taxiunternehmens dort im Einsatz waren. Unterm Strich viel zu viele Widersprüche für den Richter.

Das Gericht entscheidet sich für eine harte Gangart und verurteilt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, aber nicht nur wegen Fahrens ohne Führerschein. Die vielen Vorstrafen und noch ausstehende Bewährungsstrafen fließen mit ein. Der 20-Jährige kann es nicht fassen. „Die wollen mich brechen“, sagt er beim Verlassen des Saales. „Mit einer erneuten Bewährungsstrafe machen wir uns lächerlich“, erklärt dagegen der Richter. Auch für den Kumpel und den Taxifahrer geht der Prozess nicht gut aus. „Sie haben hier Falschaussagen aufs Parkett gelegt. Ich werde persönlich ein Verfahren gegen sie einleiten“, beendet Richter Rose die Sitzung. Voraussichtlich wird die Verteidigung in Berufung gehen.