Trotz aller Rivalität wechseln immer wieder Spieler zwischen Karlsruhe und Stuttgart – wie beispielsweise Matthias Zimmermann und Berkay Özcan.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Matthias Zimmermann ist eine treue Seele. Am Dienstagabend, nach dem Pokal-Aus des VfB Stuttgart bei Borussia Mönchengladbach stattete der Mittelfeldspieler seinen ehemaligen Kameraden einen Besuch in der Kabine ab. Bei jener Mannschaft also, der er von 2011 bis 2013 einst angehörte. Ein nicht selbstverständlicher Vorgang, schließlich heißt das Gesetz der Branche: Heute hier, morgen dort. Bindungen über das Vertragsende hinaus sind selten. Nicht so bei Zimmermann. „Ich habe mich in Mönchengladbach immer sehr wohl gefühlt, insofern war das für mich selbstverständlich.“

 

Ob er am Sonntag seinen Besuch in der Gegnerkabine wiederholt? Zumindest vorstellbar, auch wenn die Brisanz eine ungleich höhere ist: Schließlich tritt der 24-Jährige mit seiner Mannschaft beim ungeliebten Rivalen in Karlsruhe an (13.30 Uhr), wo Zimmermann einst groß wurde. Zwischen 2002 und 2010 schnürte der gebürtige Pforzheimer seine Kickstiefel für die Badener, ehe es ihn über den Umweg Mönchengladbach, Fürth und Sandhausen 2015 nach Stuttgart verschlug.

Wo er eigentlich nie hinwollte. Als der VfB 2011 schon einmal bei Zimmermann anklopfte, brachte er einen Wechsel nicht über sein badisches Herz.: „Ich bin seit neun Jahren KSCler, da kommt der VfB für mich nicht infrage“, beschied er dem Club aus der Landeshauptstadt. Als er vier Jahre später dann doch auf die A8 südostwärts abbog, fielen die Fan-Reaktionen entsprechend aus – in Karlsruhe wie in Stuttgart.

Inzwischen ist „Zimbo“ beim VfB angekommen, die Aufregung diesseits und jenseits von Pforzheim hat sich gelegt. Zumindest bis Sonntag. Zum bevorstehenden Duell wollte er er „lieber nichts sagen. Gar nichts.“ Was manchmal ja nicht die schlechteste Idee ist. Als Aktiver muss er die Stimmung schließlich nicht zusätzlich anheizen.

Lieber nichts sagen

Lieber nichts sagen lautet auch die Devise von Berkay Özcan, dem zweiten Karlsruher Stuttgarter. Özcans Schweigen rührt allerdings nicht vom Derby her – es wurde ihm vom Verein auferlegt. Und zwar gleich, nachdem er zu Beginn der Saison ins kalte Wasser der Profis geworfen hatte. Insofern lässt sich nur spekulieren, was der 1998 in Karlsruhe geborene Deutsch-Türke über das bevorstehende Spiel des Jahres denkt.

Wahrscheinlich macht er sich weniger einen Kopf als Mitspieler Zimmermann. Beim letzten Duell KSC-VfB im Jahr 2009 war Özcan gerade mal elf, was den Schluss nahe legt, dass er noch nicht so mit dem Derby-Virus infiziert ist. Außerdem hat er nach Anfangsjahren beim FC Südstern nur ein Jahr beim KSC gekickt, ehe ihn sich der VfB vor drei Jahren angelte – worüber man in Karlsruhe wenig amüsiert war. Dort galt er als größtes Talent seit Hakan Calhanoglu.

Michael Gentner vom VfB-Nachwuchsleistungszentrum musste viel Überzeugungsarbeit bei den Eltern leisten, die sich nicht sicher waren, ob sie ihren 15-jährigen Sohn so früh aus der häuslichen Obhut entlassen sollten.

Mittlerweile sind die Zweifel verflogen. Özcan, der noch in der VfB-Jugendakademie wohnt, fühlt sich rundum wohl in Stuttgart. Am vergangenen Wochenende gegen 1860 München schoss der Offensivspieler sein erstes Zweitligator. Gepaart mit den drei Vorlagen ergibt sich daraus eine famose Bilanz für einen 18-Jährigen mit acht Ligaspielen. Etwas konträr dazu stehen die gezeigten Leistungen auf dem Platz. Özcan hat oft Probleme, in die Zweikämpfe zu kommen, was an seiner fehlenden Grundschnelligkeit liegt. So läuft das Spiel häufig an ihm vorbei. An sein Ballgefühl und die Spielübersicht reichen dafür nur wenige heran. Die Gegner fürchten Özcans gefährliche Standards genauso wie seine Eins-gegen-Eins-Situationen.

Derzeit scheint es nur eine Frage der Zeit, bis größere Clubs auf den türkischen U-21-Nationalspieler aufmerksam werden. Im vergangenen Jahr fühlten die ersten Vereine aus England bei Özcan vor, der beim VfB einen Vertrag bis 2019 besitzt.

Özcans Idol heißt Messi

Dass der Junge bereits in größeren Sphären denkt, zeigt sein Idol, als das er keinen geringeren als Lionel Messi bezeichnet. Außerdem ist Özcan über die gemeinsame Vermarktungsagentur mit Arsenal-Star Mesut Özil befreundet. Für Özcan scheint die Fußball-Welt offen zu stehen.

Doch dass das Leben eines Profi-Kickers kein Selbstläufer ist, zeigt das Beispiel Matthias Zimmermann. In der Jugend als kommender Nationalspieler gehandelt, geriet seine Karriere ins Stocken. Statt weiter bergauf ging es für Zimmermann in die andere Richtung. Jetzt berappelt er sich wieder, die zweite Liga mit dem VfB scheint für ihn wie für Özcan eine Art Mittelstation darzustellen. Beide werden sie am Sonntag im Mittelpunkt stehen bei diesem Derby, das für Fans und Spieler mit so vielen Emotionen beladen ist. Für die einen etwas mehr, für die anderen weniger.

Diese Spieler trugen schon das Trikot beider Mannschaften

Die Autobahn 8 zwischen Stuttgart und Karlsruhe ist durchaus ein verbindendes Element. Denn trotz aller Rivalität haben in der Vergangenheit zahlreiche Spieler sowohl das blaue Trikot des Karlsruher SC als auch das rote des VfB Stuttgart getragen.

Zu den bekanntesten Gesichtern zählt Guido Buchwald, der nach seiner Zeit in Stuttgart (1983-1994) 1998 noch eine Saison in Karlsruhe dranhängte. Der KSC war nach der Ära Winnie Schäfer gerade aus der Bundesliga abgestiegen. Doch auch mit dem Stuttgarter Ehrenspielführer wurde der direkte Wiederaufstieg knapp verpasst. Später war Buchwald auch noch als Trainer und als Sportdirektor im Wildpark aktiv, wo er einen Abstieg und einen Aufstieg miterlebte.

Dieselbe Richtung wie Buchwald schlug Adrian Knup ein, der zwischen 1992 und 1996 jeweils zwei Spielzeiten bei beiden Clubs absolvierte. Zu den prominentesten Ex-Karlsruhern in Stuttgart zählt Sean Dundee. Der Südafrikaner konnte nach einer Zwischenstation in Liverpool beim VfB nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen.

Weitere Spieler mit gemeinsamer Vergangenheit (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Rainer Schütterle, Peter Reichert, Stefano Celozzi, Marco Grimm, Tamas Hajnal, Torsten Kracht, Bradley Carnell, Radoslav Gilewicz, Markus Miller, Kurt Niedermayer, Michael Mutzel, Kai Oswald, Danny Schwarz, Antonio da Silva, Michael Spies.

Auch Joachim Löw heuerte bei beiden Clubs als Trainer an. Seine Erfolge beim VfB (1996-1998) konnte er bei den Badenern jedoch nicht wiederholen. Er wurde 2000 nach nur 18 Spielen entlassen – am Ende stieg der Club in die dritte Liga ab.

Aktuell steht mit dem Olympiafahrer Grischa Prömel (21) ein gebürtiger Bad Cannstatter und früherer Kickers-Spieler in Diensten des Karlsruher SC. Berührungspunkte mit dem VfB gab es jedoch nie. Prömel begann seine Laufbahn beim TSV RSK Esslingen.

Auch VfB-Sportkoordinator Marc Kienle kennt den Karlsruhern Wildpark aus eigener Erfahrung. Er spielte vier Jahre für die Roten und zwei Jahre beim KSC.