Vor den Wahlen am Sonntag kämpft die Ex-Farc-Guerilla in Kolumbien.

Bogota - U nd plötzlich platzt die Panzerglasscheibe. „Ein Schuss, das war ein Schuss“, ruft ein aufgeregter Mitstreiter des linken Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro als er die Szene im Handy einfängt. Ständig prasseln Steine auf das Fahrzeug Petros, der in der kolumbianischen Grenzstadt Cucuta für seine Kandidatur werben will. Mitten im Steinhagel: Ein paar Polizisten, die das Fahrzeug gegen die wütende Masse schützen wollen. Das Fahrzeug weist anschließend beschädigte Panzerglasscheiben und Beulen in der Karosserie auf. Gustavo Petro spricht später von einem Attentat, einem gezielten Schuss der nur durch das Panzerglas aufgehalten werden konnte. Doch es gibt Zweifel, die Staatsanwaltschaft widerspricht dieser Version. Es gäbe keine Hinweise, dass Projektile abgefeuert wurden. Doch Petro bleibt bei seiner Version, will in dieser Woche sogar die Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten um Hilfe anrufen.  

 

Anderer Schauplatz, ähnliches Drama: Diesmal ist es Rodrigo Londono, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Timochenko, den er noch aus der Zeit hat, als er die älteste Guerilla-Organisation Lateinamerikas Farc führte und damit die Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen und die Verbindungen zum Drogenhandel trug. Vor gut einem Jahr unterschrieb er an der Seite von Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos den Friedensvertrag, der den ältesten bewaffneten Konflikt beenden sollte. Nun will die Farc mit Argumenten statt mit Waffen Politik machen, schickt ihre erste Riege in den Kampf um Wählerstimmen für das Parlament. Dort stehen ihr wie im Vertrag vereinbart feste Plätze zu. Rodrigo Londono, die Nummer eins der Farc, will sogar Präsident werden.

Ex-Präsident Uribe steht für den knallharten militärischen Kurs von 2002 bis 2010

In der Kaffeestadt Pereira wagt er sich unters Volk und wird verjagt. Nur mit Mühe können ihn die Sicherheitsleute vor dem wütenden Mob schützen. „Mörder, Mörder“ rufen ihm die Menschen hinterher. Der Farc-Chef wird ins Auto verfrachtet, da schlagen einige Verfolger die Fensterscheibe ein. Wenig später überlegt die Farc ihre Kampagne einzustellen, wenn die staatlichen Sicherheitskräfte keine Garantien geben können. Doch die Ex-Guerilleros machen schließlich weiter.  

In Popayan wartet der Mob auf den rechtsgerichteten Ex-Präsidenten Alvaro Uribe und ruft „Mörder, Mörder, Vergewaltiger“. Diesmal sind es Studenten, die dem Hardliner und Friedensvertragsgegner einen brutalen Empfang bereiten. Uribe steht für den knallharten militärischen Kurs der Jahre 2002 bis 2010 mit dem der Staat die Guerilla an den Verhandlungstisch bombte, auch für den Preis schwerer Menschenrechtsverletzungen. Es fliegen Steine, Flaschen, dann reagiert die Staatsmacht mit Tränengas und Schlagstöcken. Es sind Szenen wie aus einem Bürgerkrieg.  

Die Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus

Drei Schauplätze, drei Politiker, dreimal Hass und Gewalt. Dabei sind Parlamentswahlen am Sonntag nur der Aufgalopp. Eine erste Richtungsentscheidung und Gradmesser dafür wie und ob die Farc-Guerilla beim Wähler eine Chance als Partei hat. In den sozialen Netzwerken organisiert sie einen professionellen Wahlkampf mit hohem technischen Aufwand.

Bis heute haben sich nur Santos und die Farc die Hand gereicht, nicht aber der noch immer populäre Uribe. Er schickt den jungen Ivan Duque ins Rennen um die Präsidentschaft. Die Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Gustavo Petro voraus. Der ist ein ehemaliger Kämpfer der Guerillagruppe M19 und kennt den bewaffneten Kampf. Sollten die Umfragen zutreffen, stehen Kolumbien heiße Monate bis zu den Präsidentschaftswahlen im Mai bevor. Dann droht ein Duell eines linken gegen einen rechten Hardliners, das alte Wunden aufreißt und die Gesellschaft spaltet. Wenn nicht vorher jemand stirbt.