Wer 1990 eine Stasi-Zentrale von innen gesehen hat, ist sich vorgekommen wie in Kafkas „Schloss“. Mitte Januar stürmten Tausende Menschen ohne Blutvergießen Erich Mielkes Kommandoburg in Lichtenberg. Das hatte Folgen – auch sehr positive für die deutsche Geschichte.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Ost-Berlin befürchtet bürgerkriegsähnliche Zustände“: So hieß es in unserer Zeitung vom 17. Januar 1990 in einem Text unter der Aufmachung auf der Titelseite, die sich mit den Volkskammerwahlen in der DDR am 6. Mai beschäftigte. Von heute aus gesehen muss man sagen, dass die Platzierung des Artikels über die Erstürmung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg am Montagabend (15. Januar) eine Fehleinschätzung gewesen ist. Wann schließlich hatte es das in der Weltgeschichte schon gegeben, dass mutige Menschen nach einer Kundgebung des Neuen Forums die letzte und wichtigste Bastion der Geheimpolizei einer Diktatur schleiften, ohne dass ein Tropfen Blut geflossen wäre? In Erfurt, Schwerin, Suhl und Leipzig waren die MfS-Niederlassungen bereits gestürmt worden.