Der Rechnungshof gibt Verkehrsminister Dobrindt eine Menge Hausaufgaben auf – weist aber zugleich darauf hin, dass der Christdemokrat eigentlich keine Lust dazu hat.

Stuttgart - Unmittelbar vor der Grundsteinlegung für das Bahnvorhaben Stuttgart 21 sind schwere Vorwürfe des Bundesrechnungshofs gegen das Bundesverkehrsministerium bekannt geworden. In seinem Prüfbericht nehmen die Finanzkontrolleure das Ressort von Alexander Dobrindt (CSU) in die Pflicht, das Milliardenvorhaben des Staatskonzerns Bahn besser zu kontrollieren. Durch die Weigerung des Ministeriums, das Großprojekt begleitend zu überwachen, könnten „bedeutende finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt“ entstehen.

 

Die Finanzkontrolleure fordern: „Deshalb hält es der Bundesrechnungshof für dringend geboten, dass das Bundesverkehrsministerium als wichtiger Zuwendungsgeber künftig seine Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeiten beim Projekt Stuttgart 21 konsequent ausschöpft.“ Das Papier war am Donnerstag dem Haushaltsausschuss des Bundestages überreicht worden.

Bahn will Grundsteinlegung feiern

Die Bahn feiert an diesem Freitag unter anderem mit Bahnchef Rüdiger Grube die Grundsteinlegung für den Stuttgart-21-Tiefbahnhof - nun überschattet nicht nur durch die angekündigten Proteste der Gegner, sondern auch vom Rüffel des Rechnungshofes an den Bund. Der Bahnhofsarchitekt Christoph Ingenhoven empörte sich überdies, dass prominente Grünen-Politiker der Einladung zur Feier nicht gefolgt waren. Die Absagen seien „erschreckend“ und ein Beleg, dass es politischen Entscheidungsträgern noch immer an der notwendigen Sachlichkeit beim Thema S21 mangele, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Zugleich wurde bekannt, dass der Bahn-Aufsichtsrat bei einer Sondersitzung Mitte Oktober das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KMPG zu Kosten- und Terminsituation diskutiert. Dem Vernehmen nach kommt der Bundesrechnungshof in einem gesonderten Bericht zu einem Kostenrahmen von bis zu zehn Milliarden Euro. Die Bahn beziffert die Kosten bislang auf bis zu 6,5 Milliarden Euro. In dem vorliegenden Bericht heißt es lediglich: „Eine Prüfung der unternehmerischen Betätigung des Bundes bei der Bahn hat weitere Kostenrisiken für das Projekt Stuttgart 21 ergeben.“ Vor dem Hintergrund der ungeklärten Mehrkosten-Übernahme müsse das Ministerium sich möglichst rasch um die Gesamtfinanzierung kümmern.

In der Vergangenheit haben sich Schätzungen des Rechnungshofs als richtig erwiesen: 2008 hatte die Behörde Kosten auf mehr als fünf Milliarden Euro geschätzt, zwei Milliarden mehr als damals angenommen.

Intensive Kontrolle der Bauqualität

Gegenstand intensiverer Kontrolle muss nach Überzeugung des Rechnungshofes auch die Bauqualität sein. Mittel- und langfristige Folgelasten für den Bundeshaushalt durch Qualitäts- und Kapazitätseinbußen müssten verhindert werden. Kapazitätsengpässe haben auch die Gegner stets vorhergesagt. Nach Ansicht der Kontrolleure könnte der aktuelle Kostendruck die Bahn verleiten, die Bauausführung und Dimensionierung der Anlagekapazitäten zu „vereinfachen“.

Der grüne Haushaltspolitiker im Bundestag, Sven-Christian Kindler, sagte: „Dieser Bericht ist eine schallende Ohrfeige für Verkehrsminister Dobrindt.“ Er zeige, dass der Ressortchef nicht mit Geld umgehen könne, vor allem nicht mit viel Geld. „Es gibt kein Controlling, keine Überwachung der eingesetzten Mittel und keine Transparenz über weitere Kosten“, monierte der Bundestagsabgeordnete. Die Linken-Verkehrsexpertin Sabine Leidig (MdB) sprach von einem Häuserkampf zwischen dem Bundesrechnungshof einerseits und den beiden Bundesministerien für Verkehr und Infrastruktur und Finanzen andererseits.

Die Kontrolleure mahnen in ihrem Bericht mehr Transparenz über die Kosten des Projektes an, das die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofes und seine Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm umfasst. Die Haushaltsmittel dafür sollten möglichst an einer Stelle im Bundeshaushalt übersichtlich und vollständig veranschlagt und erläutert werden. Das sei Voraussetzung für eine wirksame Budgetkontrolle durch das Parlament. Weiter empfehlen die Finanzkontrolleure dem Ministerium, das Parlament zu den jährlichen Haushaltsberatungen über den Projektstand zu berichten.