In Katastrophenfilmen wird die Menschheit gerne mal vom Einschlag riesiger Asteroiden bedroht. Ein Schreckensszenario wie das durch eine solche Kollision ausgelöste Dinosauriersterben sehen Experten nicht voraus. Neue Überwachungssysteme sollen Himmelskörper schon frühzeitig entdecken.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Darmstadt - Die Gefahr kommt aus den Tiefen des Weltalls. Ein massiver Gesteinsbrocken rast durch das Sonnensystem auf die Erde zu – auf Kollisionskurs. Ein Einschlag könnte ganze Landstriche verwüsten. Am heutigen Dienstag um 18.12 Uhr (MESZ) fliegt „2011 ES4“ in nur rund 120 000 Kilometer entfernt an der Erde vorbei.

 

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Der Asteroid hat einen geschätzten Durchmesser von 22 bis 49 Metern. „Fest steht, dass er uns nahe kommt“, sagt Manfred Gaida vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Aber ungefährlich nahe.“

Vorbeiflug an der Erde

Ähnliche Erdvorbeiflüge kleiner Himmelskörper finden Gaida zufolge recht häufig statt. In diesem Jahr seien es schon rund 60 gewesen. So war am 19. August ein Asteroid von der Größe eines Geländewagens so nah an der Erde vorbeigeflogen wie kein anderer aufgezeichneter Himmelskörper seiner Art zuvor. Nach Angaben der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa passierte der Himmelskörper den südlichen Indischen Ozean in einer Höhe von 2950 Kilometern.

Der bislang dichteste Vorbeiflug war 2011 verzeichnet worden, als ein Asteroid in rund 5500 Kilometern Entfernung an der Erde vorüberzog – also knapp 2500 Kilometer weiter weg als der nun registrierte Flug, berichtete das Palomar-Observatoriums im US-Bundesstaat Kalifornien.

Das Tscheljabinsk-Ereignis

Eine Kollision von „2011 ES4“ mit der Erde käme dem Tscheljabinsk-Ereignis gleich. Am 15. Februar 2013 richtete die Explosion eines 20-Meter-Brockens in der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk Verwüstungen an. Die Druckwelle verletzte ohne jede Vorwarnung rund 1500 Menschen zumeist durch zerborstene Scheiben. Der Asteroid kam aus dem Nichts.

In die Atmosphäre eintauchende und explodierende Himmelskörper können schon mit einem Durchmesser von 20 Metern massive Zerstörung verursachen. „Die Druckwellen werden mit den gleichen Sensoren ermittelt wie bei Atomwaffentests“, sagt Holger Krag, Chef des von Darmstadt aus operierenden Büros für Raumfahrt-Rückstände der Europäischen Weltraumagentur Esa.

Wie Asteroiden überwacht werden

„Es gibt zwei große Überwachungsprogramme, beide von der Nasa finanziert, die quasi jede Nacht den Himmel scannen und nach diesen Objekten suchen“, sagt der Asteroiden-Experte der Esa, Detlef Koschny. Mit den Daten könnten dann Bahnen der Asteroiden ausgerechnet werden. In Europa werde derzeit ein Überwachungsteleskop entwickelt, dass 2022 auf Sizilien in Betrieb gehen soll. Die Amerikaner arbeiteten an einem satellitengestützten Teleskop.

Nach Angaben der Esa sind mehr als 20 000 Asteroiden mit einem Durchmesser von 100 Metern oder mehr bekannt, die irgendwann auf die Erdoberfläche aufschlagen oder in geringer Höhe in einem Feuerball explodieren könnten. Zusammen mit der Nasa arbeiten europäische Wissenschaftler im Rahmen des AIDA-Programms (Asteroid Impact & Deflection Assessment) daran, Ablenkungsmanöver durch ein künstliches Projektil – einen sogenannten kinetischen Impaktor – zu testen.

Raumsonden sollen dabei mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit den Asteroiden rammen und ihn so von seinem Kurs abbringen, wie es beim Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik (EMI) in Freiburg heißt. „Durch den Zusammenstoß des Asteroiden mit einem künstlichen Projektil kann die Flugbahn so weit abgelenkt werden, dass die Kollision mit der Erde verhindert wird“, schreibt die Esa.

„Gefahr eines großen Einschlags ist gering“

„Die Gefahr eines großen Einschlags ist gering, aber nicht auszuschließen“, betont der Asteroidenforscher Alan Harris vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags eines Brockens von 100 Metern Größe liege bei einem Prozent in 100 Jahren.

„Von den ganz großen, größer als ein Kilometer, sind 95 Prozent bekannt“, erklärt Detlef Koschny. Der Dino-Killer war Harris zufolge zwölf Kilometer groß. Einen solchen Brocken würde man mit heutiger Technologie Jahrhunderte vorher sehen. „Da haben wir genug Zeit.“