Die USA sind Partnerland der diesjährigen Industriemesse in Hannover. Es ist ein attraktiver Partner, denn die Geschäfte des deutschen Maschinenbaus in den Vereinigten Staaten laufen hervorragend. Damit kann die Branche Rückgänge in China ausgleichen. Doch wie handhabt sie das konkret?

Stuttgart - Dass sich auf der Industriemesse, die nächste Woche in Hannover stattfindet, vieles um die USA drehen wird, hat natürlich mit Barack Obama zu tun. Der US-Präsident wird gemeinsam mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag die weltgrößte Branchenschau eröffnen – ein absolutes Highlight für die niedersächsische Landeshauptstadt. Doch es ist nicht allein der Besuch des mächtigsten Mannes der Erde, der die Augen der Aussteller glänzen lässt. Vielmehr freuen sich die Unternehmen auch über die Geschäfte in den USA, die sich derzeit prächtig entwickeln.

 

Das nordamerikanische Land, das 2009 gerade mal Maschinen für gut acht Milliarden Euro abgenommen hat, ist inzwischen zum größten Exportland für den deutschen Maschinenbau geworden – und hat die bisherige Nummer eins, China, auf Platz zwei verdrängt. Maschinen und Anlagen für 16,8 Milliarden Euro haben die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr in die USA geliefert, 11,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor, hat der VDMA, der Branchenverband der Maschinen- und Anlagenbauer, errechnet. Die deutsche Vorzeigebrache ist zuversichtlich: Es wird weiter aufwärts gehen. Rund 60 Prozent der Unternehmen wollen in den nächsten Jahren in den Vereinigten Staaten investieren, hat eine Umfrage des VDMA ergeben.

Der Boom in den USA hat nicht zuletzt mit der „Re-Industrialisierung“ zu tun, die Obama vor einigen Jahren als Ziel ausgerufen hat. Die USA fragen hierzulande Antriebstechnik, Fördertechnik, Baumaschinen, Landtechnik, Werkzeugmaschinen sowie Nahrungs- und Verpackungsmaschinen nach. Diese Aufschwung kommt den global agierenden deutschen Maschinenbauern, die rund drei Viertel ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften, gerade recht. Denn das bisherige Zugpferd China lahmt. Die Zeiten sind vorerst vorbei, dass die deutsche Branche zweistellige Wachstumsraten im Reich der Mitte verbuchen konnte; im vergangenen Jahr sanken die deutschen Maschinenlieferungen sogar um 5,9 Prozent. Auf und Ab – der deutsche Maschinenbau lebe seit Jahren damit, sagt Oliver Wack, der sich im Bereich Außenwirtschaft beim VDMA um Asien kümmert. Rund 6000 Maschinen- und Anlagenbauer gibt es in Deutschland, rund die Hälfte davon sind im Branchenverband VDMA organisiert. Im Schnitt beschäftigen die Unternehmen um die 200 Mitarbeiter.

Die Schwankungen sind gigantisch

Wie kommt eine mittelständisch strukturierte Branche mit diese Schwankungen über Kontinente hinweg zurecht? Denn hinter den Branchenzahlen verbergen sich teilweise Firmenkonjunkturen mit noch viel heftigeren Ausschlägen. Beispiel Heller, der mit einem Umsatz von 556 Millionen Euro und gut 2500 Mitarbeitern ein großer Werkzeugmaschinenhersteller ist: 2013 erwirtschaftete das Nürtinger Familienunternehmen 19 Prozent seines Umsatzes in Asien (vor allem in China), ein Jahr später waren es nur noch acht Prozent und 2015 schnellte der Anteil dann auf 26 Prozent in die Höhe. In Nordamerika war die Entwicklung nicht weniger herausfordernd: 2012 setzte Heller dort 255 Millionen Euro um, im vergangenen Jahr waren es gerade noch 80 Millionen Euro. Begegnet das Unternehmen diesem Auf und Ab mit einer quasi atemlosen Hire-und-Fire-Mentalität? Heller-Chef Klaus Winkler schüttelt den Kopf. „So tickt die Investitionsgüterbranche nicht“, sagt auch der VDMA-Experte Wack.

Die Nürtinger etwa haben ein Montagewerk im chinesischen Changzhou sowie Vertriebs- und Serviceniederlassungen an drei weiteren Standorten in China. Aktuell werden 100 Mitarbeiter im Reich der Mitte beschäftigt – salopp formuliert ist das die Mindestbelegschaft. Selbst in einem Jahr mit schlechter Auftragslage gibt es für diese Beschäftigten Arbeit, erläutert Winkler. Bei allen zusätzlichen Aufträgen ist die deutsche Mutter gefragt.

Kleine Unternehmen produzieren in Deutschland für die Welt

Mit 180 Mitarbeitern weltweit aktiv

Die Firma Haas, ein Hersteller von Universalschleifmaschinen in Trossingen, hat nicht mal ein Montagewerk im Ausland. Haas ist relativ klein und arbeitet in der Nische. Die Kunden kommen aus der Medizintechnik oder der Luft- und Raumfahrtindustrie – verteilt über die Kontinente. Gut 70 Prozent seines Umsatzes erzielt das Familienunternehmen, das mit 180 Mitarbeitern knapp 45 Millionen Euro umsetzt, im Ausland, erläutert Geschäftsführer Dirk Wember. Länder wie USA und China tragen – von Jahr zu Jahr stark schwankend – zwischen zehn und 20 Prozent zum Haas-Umsatz bei. Haas entwickelt und produziert denn auch ausschließlich in Deutschland.

Aber funktioniert ein solches Geschäftsmodell auch in China, wo Wertschöpfung vor Ort eine so große Bedeutung hat?

Chinesen kaufen gerne in Deutschland ein

„Chinesen kaufen gerne Maschinen, die in Deutschland hergestellt wurden“, sagt Wember. Dies gelte auch für Amerikaner, fügt er hinzu. Heller-Chef Winkler sieht es ähnlich: Wichtig sei nicht nur, dass die Maschine von einem deutschen Unternehmen in Deutschland entwickelt sei, sie müsse auch im Land selbst – und nicht etwa in China – gefertigt werden. Der Qualität aus dem eigenen Land scheinen Chinesen durchaus kritisch gegenüber zu stehen, so Wember. Und die Regierung in Peking drückt die Augen zu, um Hightech ins Land zu bringen. Für den Import von technologisch hochwertigen Maschinen, die die Chinesen selbst nicht fertigen können, erhebe Peking keine oder nur ganz geringe Einfuhrzölle, erläutert er. Zum Schutz der Industrie steigen die Zwangsabgaben deutlich an für Produkte, die chinesische Unternehmen selbst anbieten.

Aber wie gewährleistet ein Unternehmen wie Haas Service und Wartung? Da greifen die Trossinger auf die Möglichkeiten der Datenübertragung zurück. Von Deutschland aus schalten sie sich auf die Maschinen und Anlagen auf und erstellen eine Ferndiagnose, erläutert Wember. Die Kunden ließen dies zu. 98 Prozent alle Probleme könnten so behoben werden, sagt der Haas-Chef. Und sind doch mal Fachleute an Ort und Stelle gefragt, reisen Service-Mitarbeiter aus Niederlassungen in den USA, China und in Frankreich an. Wember glaubt an die aktuelle Struktur. Ein Montagewerk im Ausland ist für ihn dann ein Thema, wenn dieses Land einen dominierenden Umsatzanteil erreicht. An dieser Sicht dürfte selbst US-Präsident Obama nicht ändern, der in Hannover zweifellos für Investitionen in seinem Land werben wird.

Die Industriemesse im Überblick

Messe
Vom 25. bis 29. April öffnet die diesjährige Industriemesse in Hannover ihre Pforten. Gut 5200 Aussteller aus 75 Ländern haben ihr Kommen zugesagt; das sind etwa 400 Aussteller mehr als im Jahr zuvor. Rund 58 Prozent der Aussteller kommen aus dem Ausland. Besonders stark vertreten sind China (mit 650 Ausstellern) und das diesjährige Partnerland USA (465). Viele namhafte US-Unternehmen wie General Electric, Microsoft und IBM wollen sich präsentieren. Auch viel politische Prominenz hat sich angekündigt.

Preise
Die Messe ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Das Tagesticket im Vorverkauf – www.hannovermesse.de/de/tickets – kostet 28 Euro, an der Tageskassen steigt der Eintrittspreis auf 35 Euro. Ermäßigt – für Schüler und Studenten etwa – kostet das Tagesticket 15 Euro. Die Dauereintrittskarte ist für 64 Euro im Vorverkauf und 76 Euro an der Tageskasse zu haben.

Themen
Die Industriemesse hat in diesem Jahr viele Themen: Es geht unter anderem um Industrieautomation und IT, um Energie- und Umweltthemen und selbstverständlich sind intelligente Roboter vor Ort.