Der Gemeinderat von Filderstadt entscheidet, das städtische Vorkaufsrecht bei einem Grundstück in Bernhausen auszuüben. Verkäufer und Käufer sind unglücklich mit dieser Entscheidung. Warum? Und wie geht es jetzt weiter?

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Bernhausen - Die beiden hatten es sich wunderbar vorgestellt: Anita Eminefendic und ihr Mann Haris hatten in Filderstadt ein Haus gefunden, das sie erwerben wollten, mit einem Gartengrundstück direkt daneben. „Für uns stand sofort fest: Wir möchten dieses Haus, wir möchten nach Filderstadt, hier eine Familie gründen, Freundschaften knüpfen, gemeinsam alt werden“, sagt die Ingenieurin.

 

Auch für die Verkäuferfamilie, Ingrid Albicker mit ihrem Mann und ihren Töchtern, waren die beiden ideal. „Uns war immer wichtig, einer Familie das Gebäude mit Grundstück zu verkaufen, die das Gebäude in seiner Form erhält und den Garten schätzt“, sagt Ingrid Albicker. „Meine Großeltern haben das Haus und vor allem den Garten mit großer Perfektion und Liebe angelegt, gestaltet und gepflegt“, erzählt Tine Englich, Albickers Tochter. „Wir Enkelkinder haben in diesem Garten den Großteil unseres Lebens verbracht.“ Haus und Garten seien Mittelpunkt der Familie gewesen: „Hier haben sich alle getroffen, gefeiert und zuletzt den Tod meiner Großmutter betrauert.“

„Wir sind geschockt“

Es handelt sich dabei um zwei Flurstücke an der Ludwigstraße, ein Grundstück, auf dem das Wohnhaus steht, und ein angrenzendes, unbebautes Flurstück, wo sich ein lauschig angelegter Garten befindet. Das Gartengrundstück ist nicht von der Straße zu erreichen, sondern nur über das Hausgrundstück. Bei dem unbebauten Grundstück greift das allgemeine Vorkaufsrecht der Stadt – und der Gemeinderat Filderstadt hat in seiner jüngsten Sitzung entschieden, dieses auszuüben.

Langfristig gesehen will sich die Stadt in diesem Bereich Grundstücke sichern. Das heißt konkret: Der bereits unterschriebene Kaufvertrag wird geändert, die Stadt wird das Gartengrund erwerben. Der Kaufpreis – der für beide Grundstücke galt – wird neu berechnet werden müssen, aufgeteilt auf das bebaute und das unbebaute Flurstück.

Warum die Stadt das Gartengrundstück kaufen will, verstehen weder die Verkäufer noch die Käufer. „Wir sind geschockt“, sagt Anita Eminefendic, die mit ihrem Mann nach wie vor das Grundstück erwerben will. Ingrid Albicker kritisiert: „Die Stadt hat schon lange gewusst, dass wir die Grundstücke verkaufen wollten. Mir wurde gesagt, die Stadt suche Grundstücke, dieses sei aber nicht geeignet.“ Auch Anita Eminefendic als Käuferin sei im Glauben gelassen worden, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werde.

Es soll ein Gespräch zwischen dem OB und den Familien geben

Der Oberbürgermeister Christoph Traub bestätigt, dass es Auskünfte zwischen der Stadt und den Familien gegeben habe. „Es gab im Baurechtsamt Anfragen zur Bebaubarkeit der Flurstücke“, sagt er. Solche seien aber recht häufig: „Dabei handelt es sich nicht um Kaufangebote, sondern um Auskünfte, was für die Eigentümer auf dem betreffenden Grundstück baulich möglich ist.“ Die Stadtverwaltung habe jedoch nicht gesagt, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werde, „sondern betont, dass dies, wenn überhaupt, nur der Gemeinderat entscheiden kann, und niemand sonst“.

Innerstädtische Flächen, die bebaut und somit nachverdichtet werden können, gebe es sehr wenige, sagt Christoph Traub. „Im Flächennutzungsplan ist festgelegt, dass wir solche Flächen identifizieren sollen. Dabei haben wir dieses Gebiet aufgetan.“ Langfristig könnte hier neu gebaut werden – und dabei kann die Stadt nur mitreden, wenn sie selbst Flächen besitzt, so erklärt sich die Entscheidung.

Kurzfristig ist aber erst einmal keine Bebauung vorgesehen. Darum gebe es die Option, das Gartengrundstück an die Eminefendics zu verpachten, sagt Traub. Ein Gespräch zwischen dem Oberbürgermeister und den Familien soll bald stattfinden.

Stadträte wollen bei Bauplänen ein Wörtchen mitreden

Die Stadt will mitbestimmen und gleichzeitig einen Impuls geben. Schließlich bietet sich der Bereich zwischen der Ludwig- und der Haldenstraße in Bernhausen in zweiter Reihe für eine Nachverdichtung an. „Wir wollen da einen Fuß in der Tür haben“, sagte Oberbürgermeister Christoph Traub im Gemeinderat. Soll heißen: Wenn dort die Eigentümer bauen wollen, dann möchte die Stadt ein Wörtchen mitreden. Deshalb hat sie ein Grundstück an der Ludwigstraße mit der Hausnummer 10 bereits erworben. Darüber könnte das Neubaugebiet mit einer Straße erschlossen werden.

Im Gemeinderat ging es nun darum, ob sich die Stadt ein weiteres Grundstück an der Ludwigstraße sichern soll. Das potenzielle Bauland liegt in zweiter Reihe auf Höhe des Grundstücks mit der Nummer 22. Eigentlich wollten Privatleute, die sowieso das dort stehende Haus erworben haben, auch das 390 Quadtatmeter große Gartengrundstück kaufen.

Die Stadt war jedoch vom Notar darüber verständigt worden, weil sie laut Baugesetzbuch in einem Innenbereich ein Vorkaufsrecht für unbebaute Grundstücke besitzt. Diese Option wollte die Verwaltung nun aus oben genannten Gründen ziehen. Sie empfahl dem Gemeinderat, das Grundstück zu kaufen.

Ein Teil der Stadträte war hin- und hergerissen. Einerseits wollten sie einer Nachverdichtung nicht im Wege stehen. Andrerseits sahen sie sich moralisch in der Pflicht, den neuen Eigentümern des Hauses auch das benachbarte Grundstück zu überlassen. „Schließlich ist das Grundstück seit mehreren Jahren auf dem Markt“ sagte Oliver Alber (CDU/FDP). Die Stadt habe also schon früher die Gelegenheit gehabt, das Grundstück zu kaufen. Alber bat darum, dass „solche Verhandlungen“ künftig besser laufen sollten.

Frank Schwemmle (SPD) sprach sich zum Wohle der Stadt für den Grundstückskauf aus. Dies bekräftige sein Fraktionskollege Bernd Menz (SPD), indem er die rhetorische Frage stellte: „Haben wir den Eid auf den einzelnen Bürger oder auf die Stadt geschworen?“ und selbst beantwortete: „Wir müssen doch das Ganze sehen.“ Dies wollte wiederum Ulrich Steck (CDU/FDP) so nicht stehen lassen. „Jeder Stadtrat hat das Recht auf eine eigene Entscheidung“, sagte er. Armin Stickler (Grüne) sagte: „Ohne Flächen im städtischen Besitz ist keine Entwicklung möglich.“ Auch Stefan Hermann (FW) bekannte sich zur Nachverdichtung. Die Mehrheit des Gemeinderats sprach sich mit 19 zu acht Stimmen bei einer Enthaltung für den Kauf aus. Wahrend SPD und Grüne alle dafür waren, ging bei der Abstimmung durch die CDU/FDP- und Freie Wähler-Fraktionen ein Riss.

Im Falle des unbebauten Grundstücks Kantstraße 2 in Sielmingen lehnte der Gemeinderat die Ausübung des Vorkaufsrechts dagegen ab. Verwaltung und die allermeisten Stadträte waren sich einig, dass der Zuschnitt des Grundstücks für eine Bebauung nicht attraktiv genug sei.