Ob es ihnen nun passt oder nicht: In „Dunkle Zeit“, dem neuen Norddeutschland-„Tatort“ mit dem Duo Falke und Grosz, müssen die Bundespolizisten die Politiker einer Partei schützen, die stark an die AfD erinnert.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Hamburg - Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig, heißt es häufig im Abspann von Spielfilmen. Ähnlichkeiten mit einer real existierenden Partei sind voll beabsichtigt, müsste es hingegen beim NDR-„Tatort: Dunkle Zeit“ heißen. Denn die Parallelen zur AfD sind unübersehbar – auch wenn der vor allem am Ende packende Polit-Thriller-Plot weit von der Realität entfernt ist.

 

Das Bundespolizisten-Duo Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz) wird zum persönlichen Schutz von Nina Schramm (Anja Kling), Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der „Neuen Patrioten“, und ihrem Mann Richard (Udo Schenk), ein Ex-General und einer der Parteigründer, abbestellt. Es gab anonyme Morddrohungen aus dem Antifa-Spektrum im Internet. Beim Parteitag schwört Nina in Marine Le Pen-Manier ihre Anhänger auf die Rettung des „wahren Deutschlands“ vor den „Systemparteien“ ein, draußen liefern sich linke Autonome mit der Polizei eine Straßenschlacht, darunter auch die Aktivistin Paula (Sophie Pfennigstorf), die mit dem naiven Vincent (Jordan Dwyer) anbändelt. Dann geht im Auto der Schramms eine Bombe hoch. Darin saß nicht Nina, sondern ihr Mann. Der führte kurz vor der Explosion ein entlarvendes Telefonat, was aber nur die Zuschauer, nicht die Ermittler, wissen: „Ich lasse Nina hochgehen – und ihren schnöseligen Deckhengst gleich mit“. Längst hat er durchschaut, dass seine Frau ihn mit dem Generalsekretär (Ben Braun) betrügt.

Mischung aus Retter- und Opferpose

Der Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein, Spezialist für die fiktionale Verarbeitung von Zeithistorie („Rommel“), hat gründlich recherchiert, er fängt rechtspopulistische Rhetorik, Propaganda-Mechanismen, Verschwörungs-Ideologie innerparteiliche Machtkämpfe und die krude Mischung aus Retter- und Opferpose treffend ein, vermeidet dabei Vereinfachungen. Die Gefahr, trotz der den Krimi tragenden argumentativen Schlagabtausche zwischen Politikern und Polizisten keinen didaktischen Thesenfilm abzuliefern, bannt er nicht durchweg – klugerweise überlässt er dem Zuschauer das Schlussfolgern.

Grosz hält sich in der Konfrontation mit der DNP-Frau, von Anja Kling beängstigend überzeugend gespielt, mit Repliken zurück. Der impulsive Falke hingegen kann die Klappe nicht halten, Nazi-Vergleiche („Westentaschen-Goebbels“) inklusive. Unprofessionell, wie ihm die beherrschte Grosz unter die Nase reibt, aber aus der Figur Falke heraus schlüssig. Proletarier-Sohn und Ex-Punk aus Billstedt, der weiß, dass Integration im Boxclub gelebter Alltag ist und der so links ist, „ wie man als Polizist links sein kann“, wie Wotan Wilke Möhring im ARD-Interview sagt. Irgendwann sieht man ihn im Ramones-T-Shirt vor dem Fernseher sitzen; am Schluss findet er sich dort auch mit seinem Sohn wieder, sie wechseln ein paar karge Worte, und es offenbaren sich Welten. Allein dafür, aber auch für das hintergründige Zeitbild lohnt sich das Einschalten.