Wer ist echt und wer nicht? Derzeit häufen sich die Anrufe von angeblichen Polizisten, die Betroffenen vorgaukeln, Opfer eines Kriminalfalls zu sein. Am Werk sind organisierte Banden, die es auf die Ersparnisse abgesehen haben. Die Häufung der Fälle ist alarmierend.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Und wieder klingelt das Telefon. Diesmal, am Dienstag gegen 19 Uhr, ist es der Apparat einer 84-Jährigen in der Erwin-Bälz-Straße in Degerloch. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein angeblicher Polizeibeamter. Er berichtet von Ermittlungen – „und dann erkundigte er sich nach den Vermögenswerten, nach Geld und Schmuck“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Der angebliche Kripomann kündigt an, an diesem Mittwoch zwei Kollegen vorbeizuschicken, die mit ihr auf der Bank mehrere Tausend Euro abheben sollen. Die 84-Jährige fragt nach dem Grund – und bekommt keine befriedigende Antwort. Sie wird misstrauisch und ruft selbst an – bei der echten Polizei.

 

„An diesem Tag sind noch drei weitere Versuche in Degerloch, Hoffeld und Birkach angezeigt worden“, sagt Polizeisprecher Tomaszewski. Zum Glück ohne Beute. Auch in diesen Fällen wurden die Betroffenen rechtzeitig misstrauisch und verständigten die Polizei. Allerdings ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer viel größer ist. Außerdem muss befürchtet werden, dass Komplizen der Anrufer in diesen Tagen auf den Fildern unterwegs sind, um abzukassieren.

Die Betrugswelle mit den falschen Polizisten rollt seit Monaten – und sie scheint nicht gestoppt werden zu können. Die Täter am Telefon dürften in denselben Kreisen zu suchen sein, die auch mit dem Enkeltrick ältere Leute um ihre Ersparnisse bringen.

Zuletzt waren die Täter Ende September im Stadtteil Heumaden erfolgreich. Eine 84-jährige Frau bekam einen Anruf von einem angeblichen Polizisten aus Berlin, der ihr mitteilte, dass sie offenbar im Besitz von Falschgeld sei. Der Anrufer fragte sie, wie viel Geld sie denn zu Hause habe, und vereinbarte mit ihr, dass ein Kollege vorbeikäme, um die Geldnoten zu prüfen. Der Komplize erschien, nahm mehrere Tausend Euro an sich und verschwand. Schwacher Trost für die Betroffene: Der Kurier war offenbar auch noch nicht geübt – denn er schwitzte stark und war sichtlich nervös.

Bisher haben die Täter offenbar keinen Grund zu allzu großer Nervosität. Denn weder in Stuttgart noch in der Region ist ein Tatverdächtiger mit der Polizisten-Masche erwischt worden. So blieb auch der Kurier in Birkach unbekannt, der einer 73-Jährigen ihren Goldschmuck abnahm. Zuvor hatte ein angeblicher Beamter des Bundeskriminalamts dem Opfer telefonisch mitgeteilt, dass es im Visier von ausländischen Einbrecherbanden stehen würde. Von einem angeblichen Beamten, etwa 25 bis 30 Jahre alt, mit südländischem Aussehen, der bei einer 86-jährigen Stuttgarterin zu Beginn des Jahres mehrere Tausend Euro abgeholt hatte, fehlt ebenfalls jede Spur.

Tatorte von Böblingen bis Waiblingen

Die Fälle ziehen sich durch die gesamte Region. Neben Stuttgart gab es auch in Ludwigsburg, Böblingen, Sindelfingen, Esslingen, Ostfildern, Waiblingen und Göppingen betrügerische Anrufe. Zumeist blieb es beim Versuch. Die Fantasie der Täter ist dabei unerschöpflich. Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt, örtliche Polizeidienststelle – die Anrufer schlüpfen in alle Rollen.

Die Tatorte ziehen sich übers ganze Bundesgebiet. In den letzten Tagen gab es Meldungen aus Hamburg, Hildesheim, Düsseldorf und im nordhessischen Korbach.

Was die echte Polizei empfiehlt...

Besonders perfide: Die Telefonnummer auf der Anzeige des Telefons kann sogar mit der echten Rufnummer einer tatsächlich existierenden Behörde übereinstimmen. Die Täter sind in der Lage, über Internettelefonie die angezeigte Rufnummer zu manipulieren, in Fachkreisen Caller-ID-Spoofing genannt. Diese Manipulation ist mit entsprechenden Computerprogrammen problemlos möglich.

Die Polizei rät deshalb misstrauisch zu sein, wenn derartige Anrufe eingehen. „Man sollte keinesfalls Informationen über persönliche und finanzielle Verhältnisse oder Angewohnheiten preisgeben“, so die echte Polizei. Betroffene sollten die angezeigte Telefonnummer, den angeblichen Namen und die angebliche Dienststelle des Anrufers notieren und dann auflegen. „Nehmen Sie anschließend Kontakt mit der Ihnen bekannten Polizeidienststelle in Ihrer Nähe auf“, rät die Polizei.

Übrigens: Keinesfalls die Nummer wählen, die der dubiose Anrufer nennt. Im jüngsten Degerlocher Fall hatte der Täter der 84-Jährigen „für Nachfragen“ eine Handynummer mitgeteilt. Sie wäre damit sicher nicht bei der Polizei gelandet. Für die gibt es eine einzige wahre Nummer: die 110.