Die Nordkorea-Kennerin Katharina Zellweger spricht über Land und Leute.

Renningen - Die Weltpresse spricht von einem historischen Tag, wenn sich US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un Mitte Juni in Singapur treffen. Doch die Erwartungen von Katharina Zellweger an eine rasche Einigung sind gedämpft, vor allem mit Blick auf die Frage der nuklearen Abrüstung. „Die USA fordern eine komplette und irreversible Abrüstung, während Nordkorea von einer Denuklearisierung in Phasen spricht“, sagte sie bei ihrem Vortrag im gut gefüllten Renninger Bonifatiushaus. Immerhin: Dialog sei besser als Kriegsdrohungen. „Ich hoffe, es ist der Anfang eines Prozesses, der Frieden bringt“, sagte Zellweger.

 

Die Schweizerin kennt das Land bestens, sie ist gefragte Interviewpartnerin in internationalen Medien und gibt Vorlesungen zum Thema an der Stanford Universität in Kalifornien. Seit mehr als 20 Jahren engagiert sie sich in Nordkorea. Zwischen 1995 und 2006 hatte sie die Arbeit von Caritas International von Hongkong aus organisiert. Danach lebte sie fünf Jahre in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang und leitete das Büro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit des Schweizer Außenministeriums (DEZA). Heute hilft sie über eine private Stiftung Waisenkindern, sie finanziert Prothesen und Operationen für Menschen mit Augenerkrankungen. „Bei Nordkorea denken die meisten an Atombomben, aber dort leben 24 Millionen Menschen, die ihren beschwerlichen Alltag meistern müssen“, sagte sie.

Versorgung hat sich massiv verschlechtert

Im Prinzip sei die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Medizin, Energie und Kleidung die Aufgabe des Staates. „Sie hat sich aber seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion massiv verschlechtert“, sagte sie. Zwar gebe es Ärzte und Kliniken, doch Ausbildung und Ausstattung seien veraltet. „Auch Medikamente sind Mangelware“, wusste Zellweger und nannte auch die verheerenden Überschwemmungen in den 90er Jahren, mit der die große Hungersnot einherging, als weiteren Grund für die prekäre Situation in dem Land. Die Hungerjahre seien zwar vorbei, aber Unterernährung sei noch immer ein Problem. Hinzu kommen die Sanktionen, die auch die Arbeit der wenigen Hilfsorganisationen vor Ort erschweren. „Wir bekommen kaum Spenden, und wir müssen Bargeld mitbringen, weil es kein Bankensystem gibt. Das erhöht die Korruptionsgefahr“, erzählte sie.

Seit ihrem ersten Besuch im Jahr 1995 hat sich die Lage dennoch positiv entwickelt. Zwar möchte sie die Politik des Regimes nicht schönreden. „Aber Kim Jong Un hat die Versorgung verbessert, er ließ Kinderspielplätze und Vergnügungsparks bauen“, berichtete sie. Auch habe dieser mit der Strategie seines Vaters gebrochen, für den das Militär immer an erster Stelle gestanden sei. „Der junge Machthaber will aber nicht nur das Nuklearprogramm, sondern auch die Wirtschaft entwickeln“, sagte Zellweger. So gibt es inzwischen große Markthallen und Kaufhäuser, in denen man so gut wie alles bekommt, sofern man Geld hat. „Ich habe sogar Schweizer Raclettekäse gefunden“, sagte sie mit einem Lächeln.

Fröhliches Volk trotz aller Probleme

Gerade in der Hauptstadt, in der etwa drei Millionen Menschen leben, hat sich ihr zufolge eine kleine Mittelschicht gebildet. „Man erkennt sie an den Mobiltelefonen, sie besitzen Devisen, essen in Restaurants, haben Solarzellen an Fenstern, und sie fahren mit dem Taxi zur Arbeit“, erzählte sie. Autofahren dürfe der Durchschnittsbürger aber nicht. Auch sie war anfangs durch die Straßen Pjöngjangs rumgekurvt. „Aber das hätte fast für Unfälle gesorgt. Eine Ausländerin und Frau am Steuer, da waren die meisten baff!“, erinnerte sie sich. Zudem sei die Bewegungsfreiheit der Bürger stark eingeschränkt. „Man darf nicht einfach umziehen, die Wohnungen werden zugeteilt“, erklärte Zellweger, die sich übrigens mit ihren ständigen Begleitern arrangiert hatte. „Man muss sie als Kollegen sehen und nicht als Aufpasser.“

Weil der Strom und die Heizung regelmäßig ausfielen, frage sie sich noch bis heute, wie sie die „bitterkalten Winter“ überlebt habe. „Dennoch möchte ich die Zeit in Nordkorea nicht missen“, sagte Zellweger und erzählte von einem trotz aller Probleme fröhlichen Volk in dem Land, in dem seit dem Koreakrieg formell nur eine Waffenruhe gilt, denn ein Friedensvertrag wurde nie unterzeichnet. „Es wird viel gefeiert, die Nordkoreaner lieben Musik, vor allem klassische!“ Die asiatische Gastfreundschaft spiele freilich auch dort eine große Rolle. “Das ist manchmal sehr beschämend, wenn man weiß, dass die Menschen arm sind“, sagte sie.

Die Schweizerin kam auf Einladung des katholischen Pfarrers Franz Pitzal ins Bonifatiushaus nach Renningen. „Der Kontakt besteht schon seit 40 Jahren“, erzählte der Pfarrer. „Damals war sie für die Caritas in Hongkong tätig, und wir hatten sie mit unserer ersten großen Sternsinger-Aktion unterstützt.“ Spenden fließen noch bis heute in Projekte vor Ort.