Der Stuttgarter Oliver Gehrke verrät am Donnerstag im Café Holzapfel, wie es sich im Alltag leichter flirten lässt – mit fast schon altmodischen Ratschlägen, die in Zeiten von Online- Dating in Vergessenheit geraten sind.

Stuttgart - Wenn es um die Partnersuche geht, versuchen immer mehr Menschen ihr Glück im Internet. Elite-Partner, Parship, Tinder – die Möglichkeiten sind schier unendlich. Häufig sind die ersten virtuellen Flirtversuche erfolgreich. Die Gespräche per SMS sind nett, die Hoffnungen geweckt – ein Treffen findet erst spät oder gar nicht statt.

 

„Wir werden in der virtuellen Welt immer sozialer, ohne dass es sich auf die echte überträgt“, sagt Oliver Gehrke. Der Mittdreißiger aus Stuttgart hat deshalb schon vor langer Zeit dem Online-Dating abgeschworen und versucht etwas in diesen Zeiten vielleicht ganz Verrücktes: Er spricht Frauen, die ihn interessieren, einfach an. Ganz ohne sich hinter einem Smartphone oder Nickname zu verstecken. Zurück zu den Basics, könnte das Motto lauten.

Um die Angst vor einem Korb und der damit einhergehenden Demütigung abzulegen, habe er lange gebraucht – bis er erkannt habe, dass er fast ausschließlich auf positive Reaktionen stoße. Und wenn eine Frau doch mal unfreundlich reagiert? „Dann bin ich ganz Schwabe und freue mich, die 3,50 Euro für einen Kaffee gespart zu haben“, sagt er und lacht.

Von Pick-Up Artists möchte er sich abgrenzen

Dazu gehört Selbstbewusstsein, Mut und Aufrichtigkeit – also nichts, was nicht jeder andere auch lernen kann. Der Bedarf daran ist in diesen Zeiten wahrscheinlich so groß wie nie. Workshops und Vorträge zum Thema sind hoch im Kurs; Single-Berater sind über Wochen ausgebucht, Bücher wie „Generation Beziehungsunfähig“ von Michael Nast werden zu Bestsellern. Die Frage, nach deren Antwort dabei so verzweifelt gesucht wird, ist immer die gleiche: Wie findet man den Einen oder die Eine für immer?

Auch Gehrke geht mit seinen Erfahrungen an die Öffentlichkeit, am Donnerstag berichtet er in einem Vortrag im Café Holzapfel im Fluxus. Konkrete Antworten verspricht er dabei nicht. Doch er versuche, Mut zu machen, etwas zu wagen. Ob es um das hübsche Mädchen an der Bar geht oder den netten Nachbarn vom Haus gegenüber: „Du hast genau zwei Möglichkeiten: Du sprichst ihn oder sie an oder du verpasst die Chance und ärgerst dich.“

Ganz wichtig: Es gehe nicht darum, Frauen aufzureißen; von der Community der sogenannten Pick-up-Artists möchte er sich klar abgrenzen. Diese ziehen inzwischen durch alle größeren Städte der USA, aber auch Deutschlands, um Frauen mit ihrer Masche gefügig zu machen. Ihre Erfolge feiern sie in Foren im Internet. Die Soziologin Leonie Viola Thöne hat in ihrer Dissertation zum Thema festgestellt: „Pick-up-Artists sind manipulative, frauenfeindliche Aufreißer, die einem mehrstufigen Plan vom ersten Ansprechen bis zum Sex folgen und eine große Zahl von einstudierten Verhaltensmustern und Tricks nutzen, um möglichst viele Frauen flachzulegen.“

Antworten verspricht Gehrke nicht

Gehrke hat ein anderes Schema – und ein anderes Ziel. Und auch das ist ziemlich altmodisch: Er versucht es mit Ehrlichkeit. Außerdem möchte er Frauen genauso ermutigen, offener im Alltag zu sein. „Ich frage oft Frauen, weshalb sie nicht selbst aktiver sind und Männer ansprechen“, sagt der Stuttgarter. Die Antwort laute stets: „Was soll der Mann denn von mir denken?“Dabei gelte für Frauen genau das gleiche wie für die Männer. Über ein Kompliment, das offensichtlich ehrlich gemeint ist, freuen sich Männlein und Weiblein gleichermaßen.

„Das Wichtigste ist, dass man sich nicht verstellt“, sagt Gehrke. Wenn er eine Frau anspreche, dann folgt kein vorgefertigter Spruch, stattdessen sage er genau das, was er in dem Moment denke. „Wenn du nicht weißt, was du sagen sollst – dann sag genau das“, sagt er. Deshalb wird es in seinem Vortrag im Holzapfel keine absoluten Antworten geben, sondern vielmehr Denkanstöße. Untermauert wird sein Vortrag durch Theorien der Persönlichkeitsfindung. Nur wer sich selbst kenne, könne unverkrampft auf andere zugehen.

In Stuttgart ist flirten nicht schwieriger als woanders

Unverkrampft heiße auch, nicht davon auszugehen, direkt seine Traumfrau oder seinen Traummann zu treffen. Auch Gehrke ist das bislang nicht gelungen. Als Niederlage sieht er das jedoch keineswegs. „Ich habe tolle Begegnungen mit Menschen, aus Spontan-Dates haben sich Freundschaften entwickelt“, sagt er. Wenn die von ihm Angesprochene – und er selbst – mit einem besseren Gefühl als vor der Begegnung weitergehe, dann sei das schon ein ziemlich großer Erfolg.

Wobei er wieder auf sein anfängliches Anliegen zurückkommt: „Wir müssen wieder sozialer werden - im echten Leben. Wir sammeln Hunderte Facebook-Freunde. Aber mit der Verkäuferin beim Bäcker haben wir neben unserer Bestellung noch nie ein Wort gesprochen.“

Ob es bei den Schwaben schwieriger ist als woanders? „Das ist ein weit verbreitetes Vorurteil“, sagt Gehrke. Heute sei er klüger: „Wenn ich mit dieser Einstellung aus dem Haus gehe, kann ich genauso daheimbleiben und warten, bis mein Leben vorbei ist.“ In Stuttgart sei der erste Schritt genauso leicht und genauso schwierig wie anderswo. Das alles sind ganz sicher keine neuen Weisheiten, nichts, was nicht jeder weiß. Doch vielleicht ist es nicht verkehrt, von Zeit zu Zeit wieder daran erinnert zu werden.

Vortrag: Über Erfahrungen und Tipps spricht Gehrke am Donnerstag, 15. September, 20.30 Uhr, im Café Holzapfel im Fluxus. Mehr Infos gibt es hier.