Über die Vorkommnisse auf dem Kölner Domplatz hat die Polizei offensichtlich schon früh mehr Erkenntnisse gehabt. Nun gibt es Vermutungen, dass aus politischen Gründen verharmlost wurde.

Köln - Der Druck auf den Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers nimmt zu. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeigers“ war der Polizeiführung schon früh in der Silvesternacht klar, dass es sich bei vielen der 1000 teilweise kriminellen jungen Männer vor dem Hauptbahnhof um Männer aus Syrien, dem Irak und Afghanistan handelte, die erst seit kurzem in Deutschland leben. Die Behörde will dies aber nicht offiziell bestätigen, spricht nur von „Nordafrikanern“ und „Menschen aus dem arabischen Raum“. Gewerkschafter halten es für möglich, dass „politische Gründe“ das Motiv für die öffentliche Zurückhaltung der Polizei sind.

 

Dabei hatten Beamte in jener Nacht rund um den Dom die Personalien von fast 100 Personen aus der Gruppe kontrolliert, weil die Männer sich aggressiv verhalten hatten. Anhaltspunkte für eine Festnahme hatte es in keinem der Fälle gegeben. Bei den „durchgeführten Personalienfeststellungen“ konnte sich der „überwiegende Teil der Personen lediglich mit einem Registrierungsbeleg als Asylsuchender“ des „Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ausweisen, heißt es in einem internen Bericht vom 2. Januar.

Herkunft der Männer „politisch heikel“

Noch in der ersten polizeiinternen Abschlussmeldung des Einsatzes am frühen Neujahrsmorgen, dem so genannten WE-Bericht („Wichtiges Ereignis“), soll der verantwortliche Dienstgruppenleiter der Polizei die Herkunft der kontrollierten Männer nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bewusst verschwiegen haben – obwohl unter anderem auch der Einsatzleiter des Silvestereinsatzes darauf gedrängt haben soll, die Herkunft in dem Dokument zu nennen. Aber mit der sinngemäßen Begründung, dies sei „politisch heikel“, soll der Dienstgruppenleiter darauf verzichtet haben. Die WE-Meldung wurde am Neujahrsmorgen unter anderem auch Polizeipräsident Wolfgang Albers vorgelegt.

Auf Anfrage wollte die Polizei diesen Vorgang weder bestätigen noch dementieren. Details zu konkreten Einsatzabläufen werde man nur in dem Bericht nennen, den die Polizei auf Anforderung von Innenminister Ralf Jäger (SPD) verfassen muss. Jäger will den Bericht am Montag dem Innenausschuss des Landtags präsentieren.

Falschmeldungen statt Aufklärung, Halbwahrheiten statt Klartext: Polizeipräsident Albers könnte dieses Vorgehen schon bald den Job kosten. „Ich frage mich: Wie konnte die Polizei in Köln am 1. Januar eine Meldung rausgeben, dass die Silvesternacht friedlich verlaufen ist?“, betont Ernst Walter, der Vize der Polizeigewerkschaft (DPolG). „All diese erschreckenden Vorfälle“ seien doch in der Nacht schon bekannt gewesen. „Auch unsere Kollegen von der Bundespolizei haben das ja hautnah mitbekommen, sind selbst angegriffen worden, haben sich Sorgen gemacht, dass Menschen noch zu Tode kommen könnten und haben die weinenden und verzweifelten Frauen in Empfang genommen, die von sexuellen Übergriffen außerhalb des Bahnhofs berichteten.“ Jetzt müsse „dringend aufgeklärt“ werden, warum die Kölner Polizei dies nicht sofort veröffentlicht hätte, so Walter: „Ob da irgendwo ein Bruch in der Informationskette war oder ob da jemand versucht hat, Fakten hinter dem Berg zu halten, weil es sich bei den Tätern offensichtlich um Migranten gehandelt hat und man dies aus politischen Gründen nicht feststellen wollte.“

Videos erhärten Verdacht auf organisierte Kriminalität

Auch wenn die WE-Abschlussmeldung die Herkunft der Täter dem Vernehmen nach nicht nennt: Es gibt andere Einsatzdokumente aus der Nacht, die das sehr wohl tun – und die den Beweis liefern, dass die Polizei früh wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Schon gegen 21 Uhr hätten sich „etwa 400 Flüchtlinge“ vor dem Bahnhof aufgehalten, die „erheblich alkoholisiert unter massiver Verwendung von Feuerwerkskörpern feiern“, heißt es in einem Einsatzbericht eines Hundertschaftsführers, der dieser Zeitung vorliegt. Und weiter: Kurz vor 23 Uhr hätten Beamte im Bereich Roncalliplatz/Domplatte/Bahnhof „mehrere tausend Personen mit Migrationshintergrund, vermutlich mit Flüchtlingsbezug“ festgestellt, steht in dem Bericht. Von „schwierigen Einsatzsituationen“ ist da die Rede, die jungen Männer hätten sich „völlig unbeeindruckt“ von polizeilichen Ansprachen gegeben. In einem Einsatzprotokoll der Bundespolizei ist die Aussage eines Syrers zitiert, der bei seiner Kontrolle gesagt haben soll: „Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln. Frau Merkel hat mich eingeladen.“

Videos und Berichte verdeckter Fahnder zeichnen mittlerweile das Bild von Raubüberfällen, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind. Nach Informationen des Magazins „Focus“ sollen die meist in Trainingskleidung auftretenden Männer, die sich für ihre Diebstähle und sexuellen Übergriffe am Haupteingang zum Bahnhof postiert hatten, im Gegensatz zu ihren Landsleuten nüchtern gewirkt haben. Die etwa 180 Personen starke „Sportler-Gruppe“, wie sie polizeiintern genannt werde, habe die Zugänge verengt, durch die Frauen mussten, die in den Bahnhof flüchten wollten. Diese Gassen wurde offensichtlich von anderen Nordafrikanern und Arabern so abgeschirmt, dass Angehörige der Opfer und auch Polizeibeamte nicht mehr eingreifen konnten.