Die Landespartei schien im Aufwind, doch jetzt drohen kaum verheilte Wunden wieder aufzubrechen. Linke, Netzwerker – findet der Streit der Parteicliquen nie ein Ende?

Stuttgart - Seit dem Sindelfinger Parteitag Ende November lief es für die Landes-SPD eigentlich bestens. Der neue Parteichef Andreas Stoch, der als siegender Dritter aus dem Duell zwischen der bisherigen Vorsitzenden Leni Breymaier und deren Herausforderer Lars Castellucci hervorgegangen war, hauchte der deprimierten Partei neues Leben ein. Stoch punktete – von seinem Erfolg auf dem Parteitag erkennbar animiert – endlich mit beherzten Auftritten als Fraktionschef im Landtag. Er initiierte ein Volksbegehren für gebührenfreie Kindergärten – ein Unterfangen, das die geschrumpfte SPD zumindest theoretisch aus eigener Kraft zum Erfolg führen könnte. Und er fand mit dem Plan für eine Wohnungsbaugesellschaft des Landes ein Instrument, um die allzu selbstzufrieden agierende Landesregierung zu pieksen.

 

Doch wo die SPD ist, lässt auch das nächste Ungemach nicht lange auf sich warten. Kurz vor Weihnachten versandte die Landesgeschäftsstelle eine vage gehaltene Mitteilung, laut der es parteiintern zu Datenschutzverstößen gekommen sei. Weil dies ein sperriges Thema ist und ohnehin noch letzte Geschenke besorgt werden mussten, entfaltete die Nachricht nach außen keine nennenswerte Wirkung mehr. Im Landesverband jedoch schon. Mahnenden Stimmen warnten vor einer neuen Schlammschlacht.

Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung

Was war geschehen? Ein Hinweisgeber hatte den Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink auf einen rechtsmissbräuchlichen Umgang mit SPD-Mitgliederdaten aufmerksam gemacht. Brink begann zu ermitteln – und tut dies immer noch. Der Landesgeschäftsführer der Jungsozialisten, Yannick Schulze, ist inzwischen seinen Job los, und auch der frühere Juso-Landeschef Leon Hahn, Mitglied im Präsidium des Landesverbands, sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, gar zum Rückzug aufgefordert. Derweil sichert Sascha Binder, der neue Generalsekretär der Landes-SPD, volle Aufklärung zu.

Im Raum steht der Vorwurf von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung. Offenkundig nutzten Parteifunktionäre Datenbestände der Partei im internen Machtkampf. Etwa im Umfeld des Mitgliederentscheids um den Parteivorsitz im vergangenen Herbst, bei dem die Parteilinke die bisherige Parteichefin Breymaier unterstützte, während der Karriereverbund „Netzwerker“ zu Castellucci hielt.

Um was für Daten handelt es sich? Von Delegiertenlisten geht die Rede, Adressen, Telefonnummern – für sich genommen innerhalb einer Parteifamilie wenig spektakuläres Material, das wohl dazu missbraucht wurde, die richtigen Leute anzusprechen, wenn es darum ging, Mehrheiten zu organisieren. Im innerparteilichen Meinungsbildungsprozess ist es durchaus üblich, noch die kleinsten und fernsten Untergliederungen daraufhin abzuklopfen, welcher Delegierte für die Kandidatin x eintritt, wer für den Kandidaten y trommelt, und wer noch unentschieden und damit beeinflussbar ist. Im Fall der Landes-SPD wurden dazu Datenbestände angezapft. Das ist rechtswidrig, bewegt sich im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts und kann vom Landesdatenschutzbeauftragten mit einem Bußgeld belegt werden. Inwieweit auch im engeren Sinn politisch sensible Daten abgeschöpft wurden, lässt sich noch nicht klar sagen.

Leon Hahn entschuldigt sich

Die SPD geht davon aus, dass nicht der Landesverband Adressat einer Bußgeldforderung ist, sondern die des Datenmissbrauchs bezichtigten Personen, zu denen im geringeren Umfang auch die Juso-Landesvorsitzende Stephanie Bernickel zählt. Ihr Vorgänger Hahn sagt, es gehe um Übersichtslisten von Delegierten und Mitgliedern, an deren Erstellung er beteiligt gewesen sei. Die Tragweite dieser Listen habe er völlig falsch eingeschätzte. „Dafür entschuldige ich mich ausdrücklich.“ Es sei ihm ein großes Anliegen, den Sachverhalt aufzuklären. „Wenn die Aufarbeitung erfolgt ist, werde ich gemeinsam mit dem SPD-Landesvorstand über die richtigen und gegebenenfalls auch persönlichen Konsequenzen beraten.“

Laut Generalsekretär Binder wurden die von den Datenschutzverstößen betroffenen Mitglieder informiert. Derzeit besteht die Gefahr, dass die Landespartei erneut auseinanderfällt. Auf der einen Seite diejenigen, die sagen, sie wollten das Intrigengespinst der vergangenen Jahre wegräumen; auf der anderen Seite jene, di e sagen, es werde ein Fehlverhalten aufgebauscht, um alte Rechnungen zu begleichen. Die neue Parteiführung wird Fingerspitzengefühl aufbringen müssen, um die Situation zu entschärfen.