Die Zweifel am anstehenden Ratsvorsitz Ungarns werden lauter. Deutschland hat Bedenken wegen der Probleme des Landes mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Freundliche Glückwünsche zu seinem 60. Geburtstag am Mittwoch kann Viktor Orbán aus den Reihen der Europarlamentarier kaum erwarten. Daniel Freund erhofft sich für den ungarischen Premier sogar die „Rente mit 60“ und würde ihn gerne sofort auf das politische Altenteil abschieben. Der deutsche Grünenpolitiker gehört zu den schärfsten Kritikern, wenn im Parlament am Mittwoch wieder einmal über den Stand der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn debattiert wird.

 

Seit vielen Jahre kritisiert die EU die Demontage von Demokratie und Justiz in dem Land, doch Orbán lässt sich wenig beeindrucken. Zuletzt waren die Hinweise auf grassierende Korruption und den Missbrauch von EU-Mitteln aber so offensichtlich, dass sich die Europäische Kommission im Dezember entschloss, die Auszahlung von fast 22 Milliarden Euro für Ungarn aus dem Strukturfonds einzufrieren. Dieser Schritt hatte den erhofften Erfolg, denn Orbán braucht das Geld aus Brüssel. Plötzlich erklärte sich die Regierung in Budapest zu Reformen bereit.

Der Streit ist an einem entscheidenden Punkt

Doch wieder versucht der Premier offensichtlich, die EU hinzuhalten. Das zumindest ist der Eindruck einer Delegation des Europaparlamentes nach ihrem Besuch in Ungarn. „Da werden kleinere Korrekturen vorgenommen, mehr aber nicht“, lautete das ernüchternde Fazit von Monika Hohlmeier, CSU-Europaparlamentarierin und Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses.

Die Parlamentarier sehen die Auseinandersetzung mit Budapest inzwischen an einem entscheidenden Punkt angekommen und Daniel Freund forderte am Dienstag, in dieser Situation den Druck auf Orbán sogar noch zu erhöhen. Diskutiert wird, Ungarn den Ratsvorsitz im kommenden Jahr zu entziehen. In der EU übernimmt alle sechs Monate ein anderes Land den Vorsitz im Ministerrat. Bisher ist es noch nie vorgekommen, dass ein Land übergangen wurde. Genau das aber fordert das Europaparlament in einer fraktionsübergreifenden Entschließung, die am Donnerstag verabschiedet werden soll.

Ungarn ist in vielen Fragen isoliert

Entscheiden darüber können allerdings nur die Mitgliedsländer selbst. Der FDP-Abgeordnete Moritz Körner kritisiert, dass das „Problem Ungarn“ noch immer nicht im Ministerrat angekommen sei. Dort werde weiter versucht, irgendwie eine gemeinsame Lösung zu finden, moniert der Parlamentarier. Im Fall von Orbán, der massiv gegen die EU intrigiere, sei das aber „ein Armutszeugnis“.

Die Forderungen des Parlaments werden inzwischen aber auch in den EU-Ländern aufgenommen. So meldet etwa Deutschland öffentlich „Zweifel“ am EU-Ratsvorsitz Ungarns im kommenden Jahr an. Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) sagte am Dienstag vor einem Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel, Ungarn sei „momentan in der EU isoliert wegen Problemen bei der Rechtsstaatlichkeit, die wirklich gravierend sind“. Sie sagte weiter, die Regierung lasse auch mangelnde Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg erkennen. „Deshalb habe ich Zweifel daran, inwieweit es Ungarn gelingen kann, eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft zu führen“, sagte sie. Kritik kommt auch aus den Niederlanden. Deren Außenminister Wopke Hoekstra sagte in Brüssel, es gebe einen ganzen „Container großer Bedenken“ und verwies auf Probleme mit der Pressefreiheit, Minderheitenrechte und den Umgang mit EU-Geldern. Die ungarische Justizministerin Judit Varga keilte zurück und nannte die Vorwürfe am Rande des Treffens in Brüssel „kompletten Blödsinn“ und politisch motiviert. Ihr Land könne sehr wohl als „ehrlicher Makler“ die Ministerräte vorbereiten und leiten.