Im Oktober stimmen die Korntal-Münchinger über eine geplante Flüchtlingsunterkunft am Friedhof ab. Die Kommune zählt damit zu den wenigen im Land, in dem es einen Entscheid in diesem Bereich gibt.

Korntal-Münchingen - Jetzt ist es amtlich: In Korntal-Münchingen gibt es am 16. Oktober einen Bürgerentscheid über eine geplante Flüchtlingsunterkunft am Korntaler Friedhof. Zuvor hatte der Gemeinderat das entsprechende Bürgerbegehren formell als zulässig erklärt. Damit ist die Stadt eine von wenigen Kommunen im Land, in denen es ein Votum der Bürger bei diesem Thema gibt.

 

Nachdem der Gemeinderat im Februar beschlossen hatte, auf einem städtischen Grundstück unmittelbar am Korntaler Friedhof in der Ludwigsburger Straße eine Unterkunft für Flüchtlinge zu bauen, hatte sich bei Nachbarn und im weiteren Stadtgebiet Widerstand formiert. Eine Initiative, deren Wortführer Sven Koch, ein Anwohner des Friedhofs, ist, brachte ein Bürgerbegehren auf den Weg, das zum Stichtag, dem 3. Juni, 1135 gültige Unterzeichner hatte. Diese Zahl hat das für einen Bürgerentscheid laut der Gemeindeordnung erforderliche Quorum von sieben Prozent der wahlberechtigten Bürger um rund einhundert Unterschriften überschritten.

Keine Zweifel an Rechtmäßigkeit

Zwar sehen einige Stadträte die Bebauung am Friedhof kritisch, mangels Alternativen hatten sie aber zugestimmt. In der Sitzung in dieser Woche gab es unter den Räten ebenso wenig Zweifel an der Zulässigkeit des Begehrens wie vonseiten der Verwaltung. Diese hatte nach einer Prüfung bereits erklärt, es gebe keine formellen Mängel. „Rechtlich ist die Situation klar“, sagte der Freie Wähler Otto Koblinger. Auch Egon Beck, der Fraktionsvorsitzende der SPD, sagte, es könne „keinen ernsthaften Zweifel“ geben. Zwar würden viele Räte die Entwicklung nicht gutheißen, jedoch sei die „Demokratie kein Wunschkonzert“.

Die Stadt hat auf dem auf drei Seiten vom Friedhof umschlossenen Grundstück einen Fertigbau mit 15 Wohneinheiten geplant. Das 700 Quadratmeter große Grundstück ist derzeit verwildert, zwischen den Gräbern und dem Areal wachsen hohe Bäume und dichte Sträucher. Um Friedhofsbesucher und Flüchtlinge voneinander abzugrenzen, hat die Stadt eine Mauer als Trennwand vorgesehen.

Baurechtlich umstritten

Die Initiatoren des Begehrens hatten Pietätlosigkeit beklagt. Der Bau einer Unterkunft auf dem Friedhof sei „menschenunwürdig“, so der Wortlaut des Begehrens, und eine „Störung der Totenruhe“. Kritik hatte sich auch an der Idee entzündet, einen kleinen Kinderspielplatz auf dem Grundstück einzurichten – offenbar wegen des damit verbundenen Lärms. Im Gemeinderat erklärten die Initiatoren ihre Position. „Ich war perplex von der Dimension der Bebauung“, sagte Sven Koch. Viele Bürger seien auf ihn zugekommen, nicht nur aus der Nachbarschaft.

Koch führte vor allem baurechtliche Bedenken gegen die Unterkunft an. Die Fläche war für eine eventuelle Erweiterung des Friedhofs und eigentlich nicht für Bebauung vorgesehen. „Es liegt jedoch im Ermessen der Bauverwaltung, eine Befreiung zu erteilen“, erklärte der Bürgermeister Joachim Wolf – wenn die Fläche für den Friedhof nicht mehr erforderlich sei.

Ein dauerhafter Bau am Friedhof, so Koch, sei jedoch weder für die Bewohner des Heims noch für die Angehörigen der Toten zumutbar. Die Unterstützung des Begehrens sei noch größer als sich in der Zahl der Unterzeichner niedergeschlagen habe. Koch: „Viele haben sich nicht getraut zu unterschreiben.“

Initiative profitiert von rechtlichen Änderungen

Und was sagen die Kirchen zu dem Bürgerbegehren? Der evangelische Pfarrer Ulrich Wiedenroth rät zur Sachlichkeit: „Es geht nur um einen Standort für ein Flüchtlingsheim.“ Er sieht keine ausländerfeindliche Stimmung in der Stadt (siehe Interview). Die konservative Brüdergemeinde in Korntal hält sich bedeckt. „Wir halten uns neutral“, sagt Manuel Liesenfeld, der Sprecher der Organisation mit gut 1500 Mitgliedern. Allerdings räumt er ein, dass sich einzelne Mitglieder der pietistisch geprägten Brüdergemeinde in der Initiative gegen das Flüchtlingsheim am Korntaler Friedhof engagieren.

Die Wahlberechtigten sind nun aufgerufen, im Oktober abzustimmen. Gibt es eine Mehrheit im Sinne des Begehrens und entspricht diese mindestens 20 Prozent der Bürger, ist das Bauvorhaben gescheitert. Das Votum ist ebenso bindend wie ein Gemeinderatsbeschluss. Wird das Quorum nicht erreicht, entscheidet der Gemeinderat von Neuem. Die Initiative profitiert von der Novellierung der Gemeindeordnung: Die Hürden für Bürgerbeteiligungen wurden gesenkt. Früher hätten zehn Prozent der Wahlberechtigten einem Begehren zustimmen müssen. Das Quorum wäre in diesem Fall verfehlt worden.