Ungefähr 5800 volljährige Bürger im Land, die bisher von Wahlen ausgeschlossen sind, sollen bei den Kommunal- und Regionalwahlen wählen dürfen. Der Innenausschuss des Landes hat den Weg frei gemacht. Für die Europawahl gilt das aber nicht.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Menschen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben, weil sie zum Beispiel psychisch krank oder behindert sind, durften bisher nicht an Wahlen teilnehmen. Das soll sich bei den anstehenden Kommunal- und Regionalwahlen ändern. Der Innenausschuss des Landtags hat am Mittwoch den Weg frei gemacht für das inklusive Wahlrecht. Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne) bezeichnete den abgesegneten Gesetzentwurf als „Meilenstein auf dem Weg in die inklusive Gesellschaft“. Der endgültige Beschluss soll noch vor den Osterferien erfolgen. Das wäre rechtzeitig, damit die Betroffenen noch ihre Wahlbenachrichtigungen erhalten. In Stuttgart werden diese laut dem Statistischen Amt wischen dem 15. und 20. April verschickt.

 

470 Stuttgarter haben der Stuttgarter Behindertenbeauftragen Simone Fischer zufolge derzeit eine Betreuung in allen Angelegenheiten. Landesweit profitieren ungefähr 5800 Bürger vom inklusiven Wahlrecht. Die Landesbehindertenbeauftragte Stephanie Aeffner bewertet den Gesetzentwurf der grün-schwarzen Regierungsfraktionen als überfällig. Auch Simone Fischer begrüßt die Änderung. Diese sei „folgerichtig und zeitgemäß“. Die Teilhabe, das Miteinander und der Alltag, fänden vor Ort in der Kommune statt. „Es ist wesentlich, dass Menschen mit Behinderung die Politik in unserer Stadt gleichberechtigt mitgestalten können“, so Fischer. Beide Behindertenbeauftragte kritisieren aber, dass die Öffnung nur für die Kommunal- und Regionalwahlen am 26. Mai gilt, aber nicht für die zeitgleich stattfindende Europawahl.

An dieser dürfen vollbetreute Bürger weiter nicht teilnehmen. Verantwortlich ist der Bund. Auch der hat zwar jüngst das inklusive Wahlrecht beschlossen, als Reaktion auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil. Dieses hatte im Februar den Ausschluss betreuter Menschen von Wahlen für verfassungswidrig erklärt. Die Änderung soll aber erst zum 1. Juli in Kraft treten, rund fünf Wochen nach der Europawahl. Simone Fischer findet das „paradox“, für Stephanie Aeffner ist das Ganze „eine ziemliche Unverschämtheit“.

An der Kommunalwahl dürfen sie teilnehmen, an der Europawahl nicht

Laut Stadt sind etwa 64 Prozent der Wahllokale der 350 Wahlbezirke für mobilitätseingeschränkte Menschen zugänglich. Auf der Wahlbenachrichtigung steht, ob das Wahllokal barrierefrei ist.