Am 1. Januar 2002 spuckten Geldautomaten die ersten Eurobanknoten aus. Mitglieder unserer Redaktion erinnern sich an ihre erste Begegnung mit der neuen Währung – und an ihren Abschied von der D-Mark.

 

Stuttgart - Bei größeren Anschaffungen rechnet laut einer Forsa-Umfrage die Hälfte der Befragten auch nach 20 Jahren noch Europreise in D-Mark um. Wer es ganz genau wissen will, nimmt den Taschenrechner. Festgelegt wurde: ein Euro entspricht 1,95583 D-Mark. Für junge Leute ist die europäische Gemeinschaftswährung eine Selbstverständlichkeit.

Der Sammelordner Es gibt Erfindungen, die sind eigentlich überflüssig wie ein Kropf, verkaufen sich aber wie warme Semmeln – diese Erfahrung hat Thomas Schwarz gemacht. Zu der Kategorie zählt für ihn der Euro Collector, der vor 20 Jahren zur Einführung der neuen Währung auf den Markt kam. In Buchhandlungen konnte der Sammelordner für rund zehn Euro gekauft werden; ein zwischen DIN A4 und DIN A3 großer aufklappbarer blauer Karton mit dem Logo der Europäischen Union, der in Plastikfächern Platz für die Münzsätze der damals zwölf Staaten der Eurozone bot. Diese Münzsätze reichten von einem Cent über 2 und 5 Cent, 10 Cent, 20 und 50 Cent bis zu ein und zwei Euro. Zusammen hatte ein Satz einen Wert von 3,88 Euro, hatte man alles gesammelt, war der dann ziemlich gewichtige Collector 46,56 Euro wert.

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Was mancher Händler nicht für möglich hielt: die Euro Collectoren wurden ihnen schier aus den Händen gerissen, im ersten Jahr gingen rund 100 000 Stück über den Ladentisch. „Ich musste ständig nachbestellen“, erinnert sich ein Händler von damals. Doch nicht alle Kunden waren zufrieden. Wütende Anrufer zeigten sich empört vom Inhalt der Sammelkladde. „Das sind ja Pappmünzen!“, ereiferte sich ein Kunde, der von echten Münzen ausgegangen war und sich schon die Hände ob eines Schnäppchens gerieben hatte: 46,56 Euro zum Preis von zehn – das wäre nicht schlecht gewesen!

Die letzte Mark Der erste Euro? Davor gab es die Erinnerung an die letzte D-Mark. Am 31. Dezember 2001 kramten meine Kinder ihre Markscheine aus der Sparbüchse, um noch einmal so richtig in der alten Zeit einzukaufen, erinnert sich Andreas Geldner. Ein Foto gibt es davon: der damals Sechsjährige und der Dreijährige mit einem Zehnmarkschein vor einem Schreibwarenladen in Stuttgart. Da waren noch Menschen auf den Geldscheinen, keine abstrakten Brücken. Auf dem Zehner prangte der Mathematiker Carl Friedrich Gauß.

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Erinnern die beiden sich daran noch? Höchstens der damals Sechsjährige und wenn nur vage. In dem Augenblick, als ich das Foto machte, begriff ich wirklich den historischen Moment: Für die Kinder würde die Mark nur ferne Vergangenheit sein. Der Euro, der in Gestalt des Starter-Münzpäckchens schon zu Hause lag, würde für sie hingegen zur absoluten Selbstverständlichkeit. Teuro-Panik oder D-Mark-Nostalgie – nichts würde dieser Generation fremder sein.

Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum die durchaus nicht ungefährdete Eurokonstruktion trotz aller Unkenrufe bis heute hält: Die nachwachsende Generation kann sich schlicht nichts anderes mehr vorstellen.

Das Missverständnis An eine skurrile Situation erinnert sich Barbara Schäder: Misstrauisch drehte die Supermarktkassiererin das noch frisch glänzende 20-Cent-Stück hin und her, das ich aus dem Portemonnaie gekramt hatte. „Die Rückseite sieht nicht richtig aus!“, sagte sie. Ich nahm die Münze zurück und stellte erstaunt fest: „Oha, das ist ja aus den Niederlanden! Das hätte ich wenige Tage nach Neujahr noch nicht erwartet. Aber macht ja nichts.“ Die Kassiererin runzelte die Stirn: „Das kann ich nicht annehmen!“ Was wiederum mich verwirrte: „Wieso? Das ist doch gerade der Witz an der Sache . . .“

Doch noch ehe ich zu einer langen Erklärung über Funktionsweise und Zweck der neuen Währung ansetzen konnte, sprang mir eine andere Verkäuferin bei: „Haben Sie da schon ausländische Euromünzen?“, rief sie begierig von der Bäckereitheke herüber. „Ich nehme sie gerne . . .“ Wahrscheinlich hatte auch sie einen Euro Collector zu Hause.

Die Starter-Kits In der Redaktion gab es vor der Einführung des Eurobargelds Diskussionen, wie wir die Starter-Kits in unseren Texten zum Thema nennen sollen, erinnert sich Sabine Marquard. Starter-Kits, das waren diese in Folie eingeschweißten ersten Euromünzen im Wert von 20 D-Mark, die es ein halbes Jahr vorher schon gab – zum Einprägen der neuen Münzen, Üben oder Sammeln. Das waren die ersten Euro zum Anfassen, die Start-Ausrüstung zum Einkauf mit Eurohartgeld. Der Begriff Starter-Kit, so die vorherrschende Meinung vor 20 Jahren, sei zu vermeiden. Englische Begriffe waren seinerzeit verpönt in den gedruckten Ausgaben. Und so haben wir in den Texten zwar den Begriff Starter-Kit mal erwähnt, ihn aber meist mit Eurobeutel oder Eurosäckchen umschrieben. Damit ist die Redaktion auch einer Empfehlung der Gesellschaft für Deutsche Sprache gefolgt – für sie war die Bezeichnung Starter-Kit ein glatter Fehlgriff.