Wäschenbeuren Mit 68 Jahren in die sechste Amtszeit

Ein Bürgermeister brauche einen langen Atem, sagt Karl Vesenmaier. Er sitzt seit 38 Jahren im Chefsessel des Rathauses der Schurwaldgemeinde – und darf noch weitere fünf Jahre bleiben. Er empfindet das als Geschenk.
Wäschenbeuren - Wenn Karl Vesenmaier aus dem Fenster seines Amtszimmers in Wäschenbeuren schaut, dann liegt ihm sein kleines Reich zu Füßen. Er sieht den Dorfbrunnen, den er trotz aller Widerstände durchgesetzt hat und den heute niemand mehr ernstlich missen möchte, er blickt auf das Café und die Bücherei gegenüber, und in seinem Rücken weiß er die Bürenhalle, ein ehrgeiziges Projekt, das sechs Millionen Euro xkostete und für das er viel Überzeugungsarbeit leisten musste. Seit 38 Jahren ist Karl Vesenmaier Bürgermeister von Wäschenbeuren – und er wird es noch fünf weitere Jahre bleiben, bis dann mit 73 endgültig Schluss ist. So will es das Gesetz.
Karl Vesenmaiers neue Amtszeit hat gerade erst begonnen. Es ist die sechste. Allerdings sei nicht verschwiegen, dass vier andere Bürgermeister im Land mit fünf Amtszeiten mehr Dienstjahre auf dem Buckel haben als er, Franz Wenka etwa, der seit 1981 Bürgermeister im benachbarten Börtlingen ist. Dass dies so ist, ist dem neuen Recht geschuldet. Denn bisher war für einen Bürgermeister mit 68 Jahren Schluss. Allerdings erlegte die neue Regelung Vesenmaier auf, dass er sich mit Erreichen des Rentenalters - also mitten in seiner fünften Amtszeit - noch einmal wählen lassen müsse. Er trat erneut an, konkurrenzlos, und holte 94 Prozent. Die vor ihm liegenden fünf Jahre auf dem Chefsessel des Rathauses sieht der neue alte Bürgermeister als Geschenk an. „Ich habe mich sehr gefreut, dass ich weiter machen darf“, sagt er und stellt klar: „Ich werde es nicht auslaufen lassen.“ Allerdings räumt er ein, dass er „sehr befreit“ sei von dem Druck, der gewöhnlich auf einem Wahlbeamten laste.
Durchhaltevermögen als Kind gelernt
Apropos Druck: Für Karl Vesenmaier scheint es kein Problem zu sein, auch schwierige Situationen auszuhalten. Nach 38 Dienstjahren wirkt es frisch wie eh und je. Die Jahre haben keine Furchen in sein Gesicht gezeichnet, und unter seinen noch immer dunklen Brauen blitzen seine Augen unternehmungslustig. Dass er Durchhaltevermögen hat, führt er auf seine Kindheit zurück. Als Bauernsohn aus Treffelhausen auf der Schwäbischen Alb musste er schon früh ran. „Mein Vater hat immer eine Arbeit für mich gehabt, da ist man in den Stiefel reingekommen“, erzählt er. Als Jüngster von sechs Geschwistern gab es auch keine Extrawürste. Er hatte sich einzufügen – und trotzdem denkt er gerne an diese Jahre zurück. „Im Nachhinein betrachtet, war das eine gute Zeit.“
Zum Verwaltungsdienst kam er eher durch Zufall. Dass ihn diese Laufbahn aber ansprach, sei schon folgerichtig gewesen. „Ich habe mich immer schon für Kommunalpolitik interessiert, und mein Vater war auch Gemeinderat. Ich konnte nie verstehen, dass er sich nicht als Bürgermeister beworben hat“, erzählt er. Das hat er dann selbst getan, nachdem er die Ausbildung im gehobenen Dienst abgeschlossen und mehrere Stationen – unter anderem in Schönaich und Köngen – durchlaufen hatte. Er kandidierte 1982 in Wäschenbeuren und setzte sich auch gleich gegen vier Mitbewerber durch. 2600 Einwohner zählte der Ort damals. Jetzt sind es 4000.
Einst wurde er als „Oberkommunist“ bezeichnet
Leise treten wollte Karl Vesenmaier nie. Dazu wusste er viel zu genau, was er wollte. Sein Ziel war es von Anfang an, diesen Ort „mittel- und langfristig“ zu prägen. Das hat den Bürgern nicht immer gefallen. „Ich war mit Sicherheit für viele kein einfacher Bürgermeister, mancher mag mich für störrisch gehalten haben“, sagt er. Aufgrund seiner Grundstückpolitik sei er einst als „Oberkommunist“ tituliert worden. Er lacht. Doch genau diese Politik habe der Gemeinde Geld eingebracht. Überhaupt sei Wäschenbeuren finanziell gut gestellt. Allein in diesem Jahr wolle die Kommune rund sieben Millionen Euro investieren.
In den verbleibenden Jahren will der vierfache Vater und zehnfache Großvater die Früchte ernten, die er gesät hat. „Für viele Projekte reichen zehn Jahre nicht, da braucht man 30 Jahre und mehr“, sagt er. So steht aktuell die Sanierung der Schule an. Da die Schülerzahlen zurückgehen, sollen frei werdende Räume zu einem Kindergarten umgebaut werden. Auch die Themen Nachverdichtung und die Erschließung von Baugebieten will der Bürgermeister vorantreiben.
Am Herzen liegt ihm auch die Wohnungspolitik. Die Gemeinde will verstärkt in den Mietwohnungsbau einsteigen. Außerdem hat Vesenmaier alles daran gesetzt, dass der Ort einen neuen Supermarkt bekommt – als Ersatz für den bestehenden, der zu klein geworden ist. Und ein nächster Coup in punkto innerörtlicher Infrastruktur schwebt ihm vor: Er will die Post aus dem Gewerbegebiet in die Ortsmitte zurückholen. Die Gespräche laufen schon.
Dienstälteste Bürgermeister im Land
Karl Vesenmaier lenkt seit 38 Jahren die Geschicke Wäschenbeurens. Er hat als einziger Bürgermeister im Land bereits fünf Amtszeiten hinter sich und ist nun in die sechste gestartet. Dennoch sind ihm vier andere Bürgermeister im Land an Dienstjahren voraus. Bereits seit 1981 ist Martin Fritz in Großbettlingen (Kreis Esslingen) am Ruder. Seine fünfte Amtszeit dauert bis 2020. Bis 2021 ist sein Kollege Franz Wenka noch in Börtlingen am Ruder. Er ging 1981 an den Start. Ein Jahr später wurden Dieter Böhringer in Pfaffenhofen (Kreis Heilbronn) und Karlheinz Oehler in Wiernsheim (Enzkreis) gewählt. Im gleichen Jahr, allerdings etwas später, eroberte Karl Vesenmaier den Chefsessel im Rathaus Wäschenbeuren.
Bürgermeister dürfen nun auch in Baden-Württemberg bis zum Alter von 73 Jahren im Amt bleiben. Als Karl Vesenmaier 2014 wieder gewählt wurde, galt noch die alte Regelung, wonach für einen Bürgermeister mit 68 Schluss ist. Deshalb musste er sich mit Vollendung des Rentenalters in Wäschenbeuren noch einmal zur Wahl stellen.
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