Deutschlands Polizei schoss 2018 seltener auf Menschen als im Jahr davor – trotz zunehmender Gewalt auch gegen Beamte. Was in Krimis wie „Tatort“ Alltag ist, hat mit der Realität nicht viel zu tun. Polizisten gebrauchen ihre Dienstwaffe, um andere oder sich selbst zu schützen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Münster - Polizisten in Deutschland haben im vergangenen Jahr elf Menschen erschossen. Weitere 34 Personen wurden verletzt, wie aus aktuellen Zahlen der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster hervorgeht. Der Statistik zufolge schossen Polizisten 2018 seltener auf Menschen als im Jahr davor – nämlich 56 Mal und somit rechnerisch alle sechseinhalb Tage.

 

Für das Jahr 2017 hatte die Polizei-Hochschule noch 75 Fälle von „Schusswaffengebrauch gegen Personen“ gezählt, wobei 14 Menschen getötet und 39 verletzt wurden. Die Polizeigewerkschaften DPolG und GdP wiesen darauf hin, trotz zunehmender Gewalt gegen Polizisten griffen diese nicht häufiger zur Dienstwaffe.

Die Zahlen für 2018 liegen wieder auf ähnlichem Niveau wie 2016: Damals waren insgesamt 52 Fälle registriert worden, bei denen Polizisten auf Menschen schossen. In der Folge waren elf Menschen gestorben und 28 weitere verletzt worden.

Notwehr- und Nothilfe-Situationen

Die Deutsche Hochschule der Polizei ordnet die elf Todesfälle vom vergangenen Jahr Notwehr- beziehungsweise Nothilfe-Situationen zu. Letzteres sind Fälle, bei denen Polizisten anderen Menschen in Lebensgefahr helfen mussten. Gründe zum Schießen könnten etwa auch die Verhinderung von Verbrechen, Fluchtvereitelung oder Schüsse zur Eigensicherung sein.

Wenn sich Polizisten gezwungen sehen, zur Waffen zu greifen, dann schießen sie meistens nicht auf Menschen, sondern um gefährliche, kranke oder verletzte Tiere zu töten. Für 2018 weist die Statistik 13 711 solcher Fälle auf. Im Jahr 2017 waren es 13 400.

Angesichts von rund 2660 000 Polizisten, die in Deutschland bei Bund und Ländern Dienst tun, bewegen sich diese Zahlen auf eher niedrigem Niveau.

„Absolute Ausnahme polizeilichen Handelns“

„Die Statistik vergangener Jahrzehnte zeigt, dass der polizeiliche Schusswaffengebrauch gegen Menschen nach wie vor die absolute Ausnahme polizeilichen Handelns darstellt“, erklärt der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. „Die seit Jahren feststellbare steigende Gewalt gegen Einsatzkräfte hat nicht zu einer Steigerung des Einsatzes der Schusswaffe geführt.“

Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, weist darauf hin, dass der polizeiliche Schusswaffengebrauch in etwa stabil bleibe, „während die Zahl der tätlichen Angriffe auf unsere Kolleginnen und Kollegen seit Jahren zunimmt“.

„Keine schießwütige Polizei“

„Wir hatten und haben keine ,schießwütige‘ Polizei“, betont der Kriminologe Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum. „Nach wie vor benutzen die allermeisten Polizeibeamtinnen und -beamten ihre Dienstwaffe ein Leben lang ausschließlich auf dem Schießstand.“

Nach einer Studie an der Hochschule der Deutschen Polizei in Münster sind viele Polizisten, die im Dienst einen Menschen getötet haben, danach ein Leben lang traumatisiert. Nur ein Drittel kehre bald in den Dienst zurück, heißt es. Beim zweiten Drittel gelten die Folgen als langwierig, oft müssen die Kollegen zum Innendienst. Das letzte Drittel leide fortwährend und sei lange therapiebedürftig.

Nach Angaben des baden-württembergischen Innenministeriums ist die Polizei des Landes mit dem Pistolenmodell P 2000 V2 der Firma Heckler & Koch (rund 25 000 Waffen) ausgestattet. Für besondere Einsätze verfügt die Polizei über Maschinenpistolen und Gewehre.

Zahlen in den USA sehr viel höher

In den USA wurden 2018 laut einem Bericht der „Washington Post“ 756 Menschen durch Polizeikugeln getötet. 2017 waren es noch 987. Die Zeitung erstellt seit 2015 eigene Statistiken zu tödlichen Polizeieinsätzen und wertet dafür Presseberichte, offizielle Veröffentlichungen und die sozialen Medien aus.

Demzufolge waren 22 Prozent der Erschossenen männliche Afroamerikaner, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung der USA sechs Prozent beträgt.