Mit der Sanierung der Wagenhalle hat sich das Gastro-Reich von Chefkoch Martin Ivenz um einiges vergrößert

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Wenn ein Profikoch Urlaub macht, zieht es ihn natürlich dort hin, wo es wohlschmeckende Sachen gibt. Martin Ivenz hat sich Anfang September noch etwas frei genommen, bevor es in der Küche der Wagenhalle in den Herbst, in den Winter und schließlich in die ereignisreiche Vorweihnachtszeit geht. Sein Reiseziel war dieses Mal das Piemont und die Region Monaco, Nizza, Cannes.

 

Nicht so schön, dafür besser im Geschmack

Das sind wohlklingende Namen und Sehnsuchtsziele, doch den Kenner zieht es eher an Orte, die kaum in einer Karte verzeichnet sind, schon gar nicht in den üblichen Touristenkarten. Und da findet er die Früchte der Saison, die meist nicht so groß, so wohlgeformt, eben nicht so prächtig aussehen wie ihre Pendants, die hier auf den Märkten gehandelt werden. Die dafür aber um einiges vollmundiger und charakteristischer schmecken als das, was hier so zu bekommen ist. Das ist so ein Thema, da ist Ivenz schnell nicht mehr im Stuttgarter Norden vor seiner Großküche, sondern der neugierige Reisende, der gerne mal in fremden Kochtöpfen schnuppert.

Und Ivenz wirkt schon so, als könne er gut das städtische Ambiente austauschen mit dem ländlichen Raum, wo schlacht- und erntefrisch gekocht wird. Das spricht nun aber gar nicht gegen seine Arbeit, in den Wagenhalle, nur ist das eben eine ziemlich andere Herausforderung: Seit der Wiedereröffnung der kernsanierten historischen Gebäude Ende vergangenen Jahres hat diese Einrichtung eben einen Sieben-Meilen-Sprung gemacht von der Laube der Lebenskünstler, die zum Teil auch in damals dort noch abgestellten Eisenbahn-Waggons gelebt haben, hin zum hochkarätigen Event-Ort. Das hat viel Steuergeld gekostet, dafür ist dort heute unter anderem eine Küche untergebracht, die wohl auch bei einem Profi keine Wünsche mehr offenlässt. Vier mal größer ist die heute als jene von früher, schätzt Ivenz. Das bedeutet aber auch: Hier darf nicht nur Masse produziert werden, sondern da muss auch Klasse entstehen. Denn Subventionen gibt es nicht für diesen Betrieb.

Gefordert ist Masse und Klasse

Und das ist die Herausforderung, die Ivenz eben noch mehr reizt als die frische Küche eines Landgasthofs. „An diese Aufgabe gehen wir ganz mit Demut ran“, so Ivenz. Und man kann hinzufügen: Mit vollem Tatendrang. Denn da gibt es den vertrauten Veranstaltungsmix in den Wagenhallen, der jetzt mit den neuen Möglichkeiten dieser Einrichtung ausgebaut wird. Die gastronomischen Höhenflüge sind da aber eher überschaubar.

Und es gibt die Veranstaltungen, die in keinem öffentlichen Terminkalender stehen, die geschlossenen Gesellschaften. Auch dafür stehen ja Räume in verschiedenen Größen zur Verfügung. Das sind private Feiern, da laden Firmen ihre Mitarbeiter oder Geschäftsfreunde ein, da buchen aber auch Menschen Termine, die zu diesen Anlässen entre nous und anonym bleiben wollen.

Die aktuellen Essens-Trends

Der Zeitgeist spielt den Wagenhallen-Machern gut in die Karten, denn Retro-Chic und rustikaler Werkhallen-Charme sind ganz oben im Trend, und die Wagenhallen haben davon ja reichlich zu bieten. Doch mit dem angesagten Ambiente ist es allein natürlich nicht getan, in diesen Kreisen gilt mehr denn je: Klasse statt Masse. „Es gibt die Faustregel: Je weiter die Leute oben in der Hierarchie einer Großfirma sich bewegen, umso mehr schätzen sie ein einfaches und rustikales Essen“, berichtet Ivenz aus seinem Erfahrungsschatz, „aber da müssen die Zutaten dann absolut perfekt sein.“ Und das Einfache ist ja bekanntlich immer das Schwierigeste: Wer hat hier schon mal je eine neapolitanische Pizza gegessen, die ihm so gemundet hat wie in Neapel selbst? – In den Wagenhallen sind das eben beispielsweise Maultaschen oder Kartoffelsalat, die hier absolut authentisch schmecken müssen. Und da trifft es sich eben gut, dass auch im Stuttgarter Umland, also etwa auf der Alb, im Hohenlohischen oder im Odenwald Metzger, Fischzüchter oder Landwirte gibt, die Wert auf Lebensmittel legen in höchster Qualität.

Der Auftritt der Spezialisten

Aber da wird auch das Besondere erwartet: Die arabische Küche, die vielen Produkte, die besonders gesundheitsversprechend neu auf den Markt sind, spielerisches wie das Essen mit den Fingern . . . „wir wollen auch da so viel wie möglich selbst machen“, so Ivenz. In seinem zehnköpfigen Team hat Ivenz Leute, die sich mit solchen Dingen auskennen: Aktuell ein Koch aus Tel Aviv etwa, der sich mit Falafel und co. bestens auskennt. Und da war auch schon mal einer aus Südtirol da oder aus Korea, andere stehen auf Abruf bereit.

Damit diese Talente zur Geltung kommen, wird hier etwas anders gearbeitet als sonst. Ivenz: „Ein Kapo und neun Leute, die nach dem seiner Pfeife tanzen“, das funktioniert hier nicht. „Wir haben hier eine flache Hierarchie, jede Arbeit ist wichtig, jeder findet hier seinen Platz“. Und da hier immer wieder mal für 500 bis 800 Personen gekocht werden muss, sind eben auch Kollegen gefragt, die eher mitdenken als Befehle empfangen.

Da läuft also manches anders als in der üblichen Gastronomie. Ivenz kennt auch dies, hat dort seine Lehrjahre verbracht. „Darauf hatte ich bald keine Lust mehr“, erinnert sich Ivenz, „da sind die Wagenhallen was anderes. Hier kann man etwas selbst machen“.