Immer Mittwoch und Samstag präsentieren die Wagenhallen ein Live-Programm nur im Internet

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Künstler benötigen das Bühnenlicht, das magische Momente unterstreicht. Und sie benötigen den Kontakt zum Publikum, das möglichst spontan seine Begeisterung bekundet und so den Künstler zur Höchstform motiviert. Beides ist derzeit nicht möglich. Freilich, digital ist heute vieles möglich. Und denkbar vielseitig sind auch die Angebote in digitaler Hinsicht, die gerade jetzt vermehrt produziert werden. Auch weil es die einzige Chance ist, in diesen Corona-Zeiten künstlerisch auf sich aufmerksam zu machen. Die Frage bleibt, von welcher Qualität diese Beiträge sind – inhaltlich wie in der Aufbereitung selbst.

 

Daheim beim Publikum

Die Wagenhallen-Macher sind nicht bescheiden in ihrem Anspruch: Ihre Live-Streams, die sie zwei mal in der Woche anbieten, sollen „Rockpalast-Qualität“ haben. Wenn das Publikum schon nicht zu den Konzerten kommen kann, kommen die Künstler der Wagenhallen eben zum Publikum in deren vier Wände. Und das nicht irgendwie, sondern eben mit viel Stil.

Rockpalast war jene ARD-Gemeinschaftssendung, die vor allem in den 1980er Jahren damit begonnen hat, möglichst viel von der Live-Atmosphäre eines Rock-Konzerts per Fernsehen in die deutschen Wohnungen zu bringen: Kein so-als-ob-Gesang via play back, keine zusammengeschnittenen Höhepunkte, sondern alles direkt gesendet von der Ansage bis zum Schlussapplaus. Das war was für gestandene Rockprofis wie David Bowie, U 2, Johnnie Winter, ZZ Top, Mothers Finest und viele andere – die live zunächst meist in der Essener Gruga-Halle antraten. Dort hatten sie die etwa 15 000 Fans traumwandlerisch sicher im Griff. Und die Hunderttausenden anderen draußen auch, denn Rockpalast-Sendungen bis in die späte Nacht hinein waren lange Kult. Übertragen wurde dies mit dem Aufwand, den sich eben ein öffentlich-rechtliches Fernsehen leisten konnte. Und jetzt die Wagenhallen. Im Stuttgarter Norden, in Zeiten von Corona. Maximal fünf Leute dürfen in die Halle, inklusive Künstler. Abgesehen von zwei Kameramännern hält sich die Zahl der technischen Apparaturen am Konzertort in der Halle direkt in Grenzen. Am Ton, am Licht, am Klang wird außerhalb der Halle gearbeitet, und auch da nur in kleinen Einheiten wegen der Hygiene-Vorschriften. Die moderne Technik von heute kann viel, von dem man vor 30 Jahren nur träumen konnte, aber sie benötigt auch entsprechende Leute, die dieses anspruchsvolle Instrumentarium gut bedienen können.

Monika Kebieche-Loreth kennt sich bestens aus mit diesen Gewerken und arrangiert die Vorbereitungen für die Live-Übertragungen mit viel Souveränität. Was da alles möglich ist in den Wagenhallen an Klang, an Lichtillusion, an räumlicher Gestaltung, das kennt sie aus bester eigener Erfahrung. Denn sonst arrangiert sie die Räume für die Firmen-Events, die ja gerade in dieses Industrie-Denkmal kommen, um das Besondere zu erleben. Und dazu gehört es nun mal, nicht nur auf außergewöhnliche Wünsche einzugehen, sondern da auch noch Überraschungspunkte draufzusetzen.

Die Techniker bleiben draußen

Die Chefin sitzt draußen in ihrem PKW

Technisch ganz konkret dran sind an diesen Abenden die Mitarbeiter der Firmen mu&te Veranstaltungstechnik und Teamwerk. Wie viele, hängt natürlich vom jeweiligen Aufwand der Shows ab. Beim Soloabend von Stefan Hiss waren es sechs Spezialisten, die für Licht, Bild, Ton und den guten Klang zuständig waren, sowie vier weitere für Kameraführung und Schnitte. Ihre Arbeitsplätze sind drei bis vier Übertragungswagen außerhalb der Halle sowie zwei Technikcontainer. Kebieche-Loreth selbst steuert das Ganze von ihrem Privatauto aus, das auf dem Vorplatz steht. Zum Vergnügen der Zuschauer kommen noch wechselnde Moderatoren dazu, die mit Interviews und Ansagen Geschmack auf die Auftritte machen. Und das Besondere: Hier kann das Publikum per Livechat mitmachen.

Künstler sind besonders aufgeregt

Die Künstlerbetreuung darf da natürlich nicht zu kurz kommen. Natürlich drängt es die Künstler gerade jetzt, aktiv zu werden, wenn eigentlich gar nichts geht. Aber so ganz ohne Publikum in einem leeren Saal? Auch aus anderen Gründen haben da manche Künstler mehr Bammel vor dem Auftritt als sonst. Etwa Luca Opifanti von der Stuttgarter Band Antiheld, mit dem die Live-Streaming-Reihe eröffnet wurde: Erstmals ist er da ohne Band aufgetreten. „Der war schon sehr aufgeregt“, erinnert sich Kebieche-Loreth. Der Aufwand lohnt sich: Antiheld wurde live und auf Youtube danach fast 13 000 Mal angeklickt, per PayPal kamen etwa 1700 Euro an Spenden zusammen. Zum Reich werden reicht dieses Format also zwar nicht, aber reine Beschäftigungstherapie soll dies auch nicht sein – auch die Künstler und die Veranstalter müssen von etwas leben.

Weiter geht es von diesem Mittwoch um 20.30 Uhr an mit Polka und Blues von Hawelka sowie mit deren neuer Scheibe „Liebe oder Hass“, die um einiges rockiger sein soll als die Vorgänger. Und für den nächsten Samstagabend ist wieder eine große Show in Planung. Fest zugesagt hat schon Antiheld, jetzt aber in kompletter Besetzung. Weitere Programmpunkte folgen noch.