Der Versuch der Insel-Sozialdemokraten, den Tory-Regierungschef David Cameron aus der Downing Street zu vertreiben, ist misslungen. Fest steht: Nach diesen Wahlen gehen die Briten unruhigen Zeiten entgegen, schreibt Peter Nonnenmacher.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Heute morgen erwachen die Briten zu einem veränderten Großbritannien. Sie haben sich selbst eine gehörige Überraschung beschert. Alle Umfragen vor den Unterhauswahlen dieses Donnerstags waren von einem Kopf-an-Kopf-Rennen der Labour Party mit den Konservativen ausgegangen. Stattdessen landete Labour weit abgeschlagen hinter den Tories.

 

Der Versuch der Insel-Sozialdemokraten, den Tory-Regierungschef aus der Downing Street zu vertreiben, ist misslungen. Die Konservativen haben sich nicht nur behauptet, sondern an Stärke etwas zugelegt. Das heißt nicht, dass David Cameron sein Ziel erreicht hat, seiner Partei wieder - wie zu Margaret Thatchers Zeiten - eine absolute Mehrheit zu  sichern. Und sein Juniorpartner der letzten fünf Jahre in der Regierung, die Partei der Liberaldemokraten, ist vollkommen kollabiert.

Cameron wird also Mühe haben, eine solide Mehrheit für die nächsten fünf Jahre zusammen zu kratzen. Das werden ihn seine Kritiker in der eigenen Partei nie vergessen lassen, auf deren Unterstützung er nun noch mehr als früher angewiesen ist.

Labour Party liegt am Boden

Aber Labour hat der Tory-Premier klar geschlagen. Die Linke kann keinen Anspruch auf Übernahme der Regierung erheben. Überall wurden im Laufe der letzten Nacht prominente Labour-Leute abgewählt. Die Partei, die Fortschritt versprach, fand sich gebremst von harschen Realitäten - zerrieben zwischen englischem und schottischem Nationalismus, und mit einem Programm, das unklar blieb und wenig Resonanz fand bei den Wählern. Nur in London war Labour erfolgreich. „Draußen“ im Land gelang es der Partei nicht, Boden gut zu machen. Und in Schottland verlor sie ihre gesamte dortige Machtbasis an die SNP.

Die Geschichte der SNP, der Schottischen Nationalpartei, ist die eigentliche Geschichte dieser Wahlnacht. Acht Monate nach dem verlorenen Unabhängigkeits-Referendum hat die SNP „die Westminster-Parteien“ praktisch aus dem Land gefegt. Von Labour enttäuschte Wähler haben im britischen Norden ihre Hoffnungen in eine ganz andere Alternative gesetzt, die sich als neue Kontrahentin der „englischen Tories“ und ihres Austeritäts-Kurses auf den Britischen Inseln etabliert hat, und die sich als neue Hoffnungsträgerin der Linken versteht.

Infolgedessen beginnt sich die Kluft zwischen Schottland und England gefährlich zu weiten. Wie David Cameron sie überbrücken will, statt den totalen Bruch mit den Schotten zu riskieren: Das weiß an diesem Freitag noch niemand zu sagen. Vom kommenden Kampf um Europa, der nun unausweichlich geworden ist, gar nicht zu reden. Nach diesen Wahlen gehen die Briten unruhigen Zeiten entgegen.