Spanien wählt am Sonntag ein neues Parlament. Gut möglich, dass auf einen unerbittlichen Wahlkampf, in dem sich fast alles um den katalanischen Separatismus dreht, eine längere Phase der Unregierbarkeit folgt.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Steht Spanien kurz vor dem Abgrund? Die Antwort lautet Ja, wenn man Pablo Casado folgt: „Wir werden nicht hinnehmen, dass ein Trojanisches Pferd wie Sánchez mit der Unterstützung von Separatisten und Batasunos die Tür (zum Regierungspalast) der Moncloa eintreten wird, um die Verfassung zu liquidieren“, sagt der Chef der konservativen Volkspartei über Regierungschef Pedro Sánchez. Das klingt apokalyptisch. Und es geht noch dramatischer. „Auf dem Spiel stehen das Überleben der Nation und der Erhalt der Freiheit, angegriffen vom Separatismus und der linken Diktatur“, sagt Santiago Abascal, Chef der rechtspopulistischen Partei Vox.

 

Es ist ein zugespitzter Wahlkampf, der gerade in Spanien zu Ende geht. Ein Wahlkampf der düsteren Prophezeiungen und großen Worte. Am Sonntag wird ein neues Parlament gewählt, schon zum dritten Mal innerhalb von weniger als vier Jahren, und die Stimmung ist aufgeheizt wie lange nicht mehr. Das liegt zum einen daran, dass mit Pedro Sánchez zurzeit ein Sozialist regiert. Immer wenn in Spanien die Sozialisten regieren, malt die Rechte den Untergang des Abendlandes an die Wand. Zum anderen haben die katalanischen Separatisten den Rest des Landes vor anderthalb Jahren mit einem Unabhängigkeitsreferendum herausgefordert, wovon sich Spanien immer noch nicht erholt hat. Es gäbe vieles zu diskutieren, aber geredet wird nur über Katalonien. Folgen der Wirtschaftskrise, Digitalisierung, Strategien gegen den Klimawandel – all diese Debatten sind an den Rand gedrängt.

Umfragen sehen die Sozialisten als stärkste Partei

Die Umfragen sagen im Mittel folgendes Ergebnis voraus: Gewinnen werden die Sozialisten (PSOE) mit knapp 30 Prozent der Stimmen, gefolgt von der konservativen Volkspartei (PP, gut 20 Prozent), den rechtsliberalen Ciudadanos (knapp 15 Prozent), der linkspopulistischen Unidas Podemos (knapp 13 Prozent) und der rechtsextremen Vox (knapp 11 Prozent). Dazu kommen noch etliche kleine Regionalparteien. Käme es so, reichte es weder für eine linke Mehrheit (PSOE und Unidas Podemos) noch für eine rechte (PP, Ciudadanos und Vox). Der wahrscheinlichste Ausgang dieser Wahlen ist also eine – möglicherweise lange – Phase der Unregierbarkeit.

Die rechtspopulistische Vox ist die große Unbekannte

Natürlich kann auch alles ganz anders kommen. Da ist das Menetekel der andalusischen Regionalwahlen im Dezember vergangenen Jahres: Die Umfragen sagten einen linken Sieg voraus, es gewannen aber die Rechten. Damals zog zum ersten Mal Vox in ein spanisches Parlament ein, mit elf Prozent der Stimmen weit mehr als von allen vorausgesagt. Niemand würde sich wundern, wenn die Partei am Ende auf ein Ergebnis näher den zwanzig als den zehn Prozent käme. Keine andere Partei füllt in diesem Wahlkampf so die Hallen, Plätze und Stierkampfarenen wie Vox. Die Menschen dürsten nach den apokalyptischen Reden des Vox-Chefs Santiago Abascal. Der gibt’s den Separatisten und den „progres“, wie er abfällig alle Linken nennt.

Spaniens wütende Rechte

Das Ausmaß dieser Wut ist kaum erklärbar. Die spanische Politik hat die katalanische Herausforderung besser im Griff, als die Apokalyptiker den Spaniern einzureden versuchen. Der damalige Ministerpräsident Mariano Rajoy löste Ende Oktober 2017 das Regionalparlament auf und setzte Neuwahlen an. Danach gewannen zwar wieder die Separatisten. Aber sie wissen jetzt, dass sie jederzeit abgesetzt werden können, wenn sie es zu bunt treiben. Der spanischen Rechten aber reicht das nicht. Ihnen reicht auch nicht, dass neun katalanische Politiker und Aktivisten wegen des Unabhängigkeitsreferendums in Untersuchungshaft sitzen. Sie wollen die Katalanen an die ganz kurze Leine legen: die katalanische Autonomie aussetzen (PP und Ciudadanos) oder gleich ganz abschaffen (Vox).