Wahl in Taiwan Gefangen im Status Quo

In Taiwan wird künftig erstmals in seiner Geschichte von einer Frau regiert: Tsai Ing-wen will gegenüber China selbstbewusster auftreten. Doch die Realität wird sie bald eines Besseren belehren, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.
Taipeh - Taiwans neue Präsidentin Tsai Ing-wen war gerade erst gewählt, da hat ihr die kommunistische Regierung Chinas bereits einen Warnschuss vor den Bug gesetzt: Mehr Unabhängigkeit werde sie nicht dulden. Präsident Xi Jinping verhält sich selbstbewusster und aggressiver als seine Vorgänger. Widerstand aus Taiwan wird er als Gelegenheit nehmen, die Macht seines Landes zu zeigen. Er könnte die Instrumente der dominierenden Volkswirtschaft einsetzen, um Taiwan zu schaden. So krude Mittel wie das Militär braucht er gar nicht, um die Insel auf Kurs zu bringen. Taiwan hat sich längst in ökonomische Abhängigkeit vom Festland begeben. Eine Verletzung des mühsam erarbeiteten Gleichgewichts aus vorsichtigen Sprachregeln und Symbolpolitik durch Tsai würde erhebliches Aufsehen erregen.
Wenn sie den Schwebezustand zerstört, in dem die beiden verfeindeten Chinas sich befinden, dann hätte sie Geschichte gemacht – aber nicht unbedingt zum Besten ihres Landes. Damit ist klar, dass die Realität der Amtsgeschäfte Tsai schon bald einholen wird. Statt China vor den Kopf zu stoßen, wird sie Vorsicht walten lassen. Am Ende bleibt ihr als kluge und verantwortungsvolle Politikerin – und das ist sie – nichts anderes übrig, als ihre Wähler etwas zu enttäuschen und den Status quo aufrechtzuerhalten.
Unsere Empfehlung für Sie

Beziehung USA-China Taiwan: Peking kritisiert "Einmischung" Washingtons
Das Verhältnis zwischen den USA und China ist auf den tiefsten Stand seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen gefallen. Für einen Neustart der Beziehungen stellt Peking Bedingungen an Präsident Biden.

Von Oskar Lafontaine bis Karl-Theodor zu Guttenberg Die Kunst des Politiker-Rücktritts beherrschen nur wenige
Wer in der Politik gehen muss, der geht nicht immer gern oder gut – die meisten verpassen den Abgang mit Stil und Anstand. Eine kleine Typologie des Rücktritts von unserer Kolumnistin Katja Bauer.

Corona und der Einzelhandel Öffnung zum falschen Moment
Die Art und Weise wie der Einzelhandel wieder öffnet ist eine Gefahr für alle, kommentiert Christian Gottschalk. Zudem stellen sich völlig neue Fragen, zum Beispiel zum landkreisüberschreitenden Grenzverkehr.

Neues Infektionsschutzgesetz Eine Korrektur mit großer Bedeutung
Das neue Gesetz zum Infektionsschutz setzt der Exekutive Grenzen und ist ein Gewinn für die Demokratie, meint der Berlin-Korrespondent Christopher Ziedler.

Tod in der Partnerschaft Ein Femizid ist kein Familiendrama
Gewalt fängt mit Worten an. Genauso aber kann Sprache Gewalt verharmlosen. Es ist keine Privatsache, wenn Männer ihre Partnerinnen töten. Wir müssen endlich patriarchale Machtverhältnisse als eine der Ursachen erkennen, sagt StZ-Autorin Hilke Lorenz.

Maskenskandal in der CDU/CSU-Fraktion Desaster auf allen Ebenen
Der Maskenskandal schadet der CDU vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, untergräbt das Vertrauen in das Corona-Krisenmanagement weiter und belastet den politischen Betrieb insgesamt. Ein Kommentar.