Verkehr, Wohnen, Wachstum und der Marktplatz – die Lokalpolitiker ringen bei „LKZ im Gespräch“ in der voll besetzten Stadthalle um die richtigen Antworten.

Leonberg - Wie sind Sie denn in die Stadthalle gekommen? In Leonberg ist das durchaus ein Frage von politischer Brisanz, denn Verkehr ist hier das Schlagwort, an dem sich die Emotionen entzünden. Einige Zuschauer von „LKZ im Gespräch“ am Donnerstagabend sind mit dem Rad gekommen, einige zu Fuß. Viele aber mit dem Auto. (Wir haben auch LKZ-Talks in Weil der Stadt und Renningen veranstaltet.)

 

Wie man diesen Autoverkehr reduzieren kann, war denn auch eine der brennendsten Fragen, die die beiden Moderatoren Thomas K. Slotwinski und Ulrike Otto an die Podiums-Diskutanten Elke Staubach (CDU), Axel Röckle (Freie Wähler), Ottmar Pfitzenmaier (SPD), Birgit Widmaier (Grüne), Dieter Maurmaier (FDP), Frank Albrecht (SALZ) und Gitte Hutter (Linke) hatten.

Mehr Menschen auf’s Rad

„Wenn wir unser Radkonzept endlich umsetzen würden, wären sicherlich doppelt so viele Menschen heute Abend mit dem Rad gekommen“, nahm Birgit Widmaier die Frage an das Publikum sofort auf. Die grüne Spitzenkandidatin sieht diesbezüglich in Leonberg noch viel Nachholbedarf und wünschte sich von ihren Ratskollegen und der Stadtverwaltung mehr Tempo. „Wir brauchen dringend Radwege, bei denen auch Eltern sagen: Ja, die sind auch für unsere Kinder sicher.“

Die Hälfte aller Fragen, die Leser zuvor einreichen konnten, drehte sich um das Thema Verkehr. Um ihre Lösungsvorschläge baten die Moderatoren darum die sieben Politiker, die am Sonntag wieder in den Gemeinderat einziehen wollen. Der Altstadttunnel sei keine Lösung, stellte SPD-Mann Ottmar Pfitzenmaier klar. Er und der Freie Wähler Axel Röckle traten als Exponenten zweier Lösungen hervor, um die sich die Diskussion drehte.

Wie wär’s mit einer Pförtnerampel?

Pfitzenmaier verteidigte die SPD-Idee einer Pförtnerampel vor Leonberg, die die Autolawine gar nicht erst in die Stadt ließe. „Unsere Lösung lässt sich schnell umsetzen“, sagt er. „Damit kann dann wenigstens der innerörtliche Verkehr wieder fließen.“ Röckle überzeugte das nicht: „Wenn wir die Leute nicht mehr in die Stadt lassen, brauchen wir uns gar nicht erst über einen Citymanager oder Wirtschaftsförderung unterhalten.“ Denn auch das Leonberger Publikum werde durch die Pförtnerampel ausgesperrt.

Der Vorschlag der Freien Wähler ist daher die neue Umgehungsstraße. „Die Frage ist, ob ich den Stau nur verlagere, oder ob ich den Verkehr optimiere und am Fließen halte“, erklärte Axel Röckle. Sein Opponent Pfitzenmaier entgegnete, er könne sich nicht vorstellen, wie eine einspurige Umgehungsstraße den Stau einer dreispurigen Autobahn aufnehmen könne. Aber auch die Vertreter der anderen Fraktionen hatten Vorschläge. Dieter Maurmaier (FDP) plädierte dafür, den Standstreifen der Autobahn freizugeben und mit den Betreibern der Navi-Geräte zu sprechen, damit diese die Autofahrer nicht immer durch die Stadt geleiten.

Elke Staubach (CDU) wies auf die hohen Folgekosten einer neuen Umgehung hin. Die Linke Gitte Hutter plädierte für ein Sozialticket und Frank Albrecht von der SALZ-Liste rechnete seinen Vorschlag eines kostenfreien Nahverkehrs vor. „Das würde Leonberg 3,5 Millionen kosten. Wenn wir bedenken, dass allein das Leobad 3 Millionen Euro verschlingt, ist das keine zu große Hürde.“

Wie viel Wachstum verträgt die Stadt?

Die zweite große Frage des Abends lautete: Wie lange darf und soll Leonberg noch wachsen? FDP-Mann Maurmaier und SPD-Kandidat Pfitzenmaier wiesen darauf hin, dass man weiter Wohnraum schaffen muss, gerade damit junge Leonberger nicht abwandern müssen. Gitte Hutter (Linke) unterstrich dies: „Wir holen Firmen zu uns, wollen dann aber die Mitarbeiter nicht bei uns wohnen lassen – das geht nicht.“ Elke Staubach (CDU) und Frank Albrecht (SALZ) gingen sogleich in die praktische Umsetzung. Beide Politiker traten für kommunalen Wohnbau ein. „Städte wie Böblingen und Ludwigsburg haben solche Gesellschaften und viele Ideen“, berichtete Staubach, „da ist die Frage, ob wir uns dort einbringen könnten“. Einziger Skeptiker in diesem Punkt war der Freie Wähler Axel Röckle. „Wir brauchen ein Gesamtkonzept zum Wachstum“, sagte er und wies darauf hin, dass mehr Einwohner auch mehr Infrastruktur-Kosten verursachen. Ob er eine Obergrenze fordere, zum Beispiel von 60 000 Einwohner, wollte Moderator Thomas Slotwinski wissen. „Das kann ich nicht entscheiden, da ist der Gemeinderat gefordert“, antwortete Röckle.

Kreative Ideen waren zudem für die Altstadt gesucht. Dass Leonberg noch nicht in voller Blüte steht, wussten auch die Kandidaten. „Ich kenne viele, die nach Rutesheim zum Einkaufen fahren“, berichtete Ottmar Pfitzenmaier. Leonberg müsse nachziehen. „Wir wollen daher einen Citymanager“, forderte der SPDPolitiker. Die Eigentümer der Geschäfte müssten sensibilisiert werden, sagte Elke Staubach: „Wir brauchen Läden, in denen es Spaß macht zu flanieren.“ Ein Gesamtkonzept für die Altstadt forderte auch SALZ-Mann Frank Albrecht: „Wir brauchen den Citymanager oder eine Holding, die die Ladenflächen zusammenführt.“ Kneipen könnten dann am Marktplatz platziert werden, die Geschäfte in den Straßen dahinter.

„Ich habe eine Vision“

Das geplante Gelände auf dem Post-Areal sahen die Lokalpolitiker indes nicht als zusätzliche Konkurrenz für die Altstadt, ganz im Gegenteil. Ein flammendes Plädoyer dafür hielt die Linke Gitte Hutter. „Ich habe eine Vision – und deshalb bin ich auch im Stadtrat“, sagte sie. Die Eltinger Straße zwischen Leo-Center und Altstadt müsse auf zwei Autospuren zurückgebaut werden, und dafür müsse dort ein Boulevard für Fußgänger und Radler entstehen, mit viel Grün, der zum Flanieren einlädt.

„Wir brauchen ein ganz anderes Denken“, stimmte die Grüne Birgit Widmaier dem zu. „Wir brauchen ein gleichberechtigtes Miteinander aller Verkehrsteilnehmer, also auch der Radfahrer und Busse.“ Sonst werde es nichts mit der Mobilitätswende. Sie widersprach damit Axel Röckle, der einwarf, dass die Feuerbacher-, die Graben- und die Eltinger Straße die einzige Nord-Süd-Verbindung ist und der Verkehrsfluss nicht zusätzlich erschwert werden dürfe.

Kommentar „Ein klarer Wählerauftrag“

Ein zumindest in Leonberg weitgehend emotionsloser Kommunalwahlkampf geht zu Ende. Dabei mangelt es nicht an Themen, wie nicht zuletzt beim LKZ-Wahl-Talk deutlich wurde. Doch die Probleme sind so komplex, dass die Lösungsansätze, wenn es denn welche gibt, sich oft nur punktuell unterscheiden.

Beispiel Verkehr: Wie die täglichen Blechlawinen aus der Stadt herauszuhalten sind, kann niemand wirklich sagen. Eine Umgehung, aus heutiger Sicht wohl das wirksamste Mittel, könnte frühestens in zwei Jahrzehnten helfen. Wie dann aber die Mobilität aussieht, ist unklar.

Das Ampelsystem der SPD wäre zumindest einen Versuch wert, bei gleichzeitiger Optimierung des Nahverkehrs. Dass die Bus- und Bahn-Takte auf jeden Fall der Verbesserung bedürfen, darüber besteht Einigkeit. Doch die Mittel eines Gemeinderates sind in dieser Frage beschränkt.

Wohnen als Luxusgut

Beispiel Wohnen: Das Dach über dem Kopf gerät immer mehr zum Luxusgut. Junge Familien wandern notgedrungen ins Hinterland ab. Das darf nicht sein, sagen fast alle. Doch je größer die Stadt, desto gewaltiger die Aufgaben. Schon jetzt ächzt die Kommune unter den stetig wachsenden Kosten der Kinderbetreuung, um nur einen Aspekt des steigenden Bedarfs an Infrastruktur zu nennen.

Beispiel Lebensqualität: Es geht nicht nur um soziale Einrichtungen, Schulen und Verkehr. Die Stadt lebt von ihrer Seele. Dazu gehören Straßen zum Bummeln, attraktive Geschäfte, reges Kulturleben, eine vielfältige Gastronomie. Hier ist viel zu tun. Der große Pluspunkt Altstadt wurde bisher sträflich vernachlässigt, könnte aber durch das künftige Postareal einen Aufschwung bekommen. Wenn denn unsere Lokalpolitiker mutige Entschlüsse treffen. Statten wir sie dafür am Sonntag mit einem klaren Wählerauftrag aus.