Ob Grüne oder FDP: beide Parteien bieten sich in Hamburg der SPD als Koalitionspartner an – und sind deshalb zahm.

Hamburg - Hochhackige Schuhe sind bei Hamburger Wahlkämpferinnen wohl ein Muß: zuerst starrte die Nation auf die liberale Spitzenfrau Katja Suding (39), deren Beine von der ARD allzu lange in die Kamera gerückt worden sind, die sich später aber selbst in der Zeitschrift „Gala“ in Szene setzte. Aber auch die Grünen-Landesvorsitzende Katharina Fegebank (37), die mit Jens Kerstan das Spitzenduo in Hamburg bildet, trägt hochhakige Pumps, als sie da frierend am Wahlkampfstand vor der U-Bahn-Station „Rennbahn“ steht, was allenfalls durch ihre grüne Pudelmütze konterkariert wird.

 

Katja Suding ist das junge Gesicht der FDP. Foto: dpa
Aber natürlich geht es nicht um Äußerlichkeiten, sondern um Inhalte vor der Bürgerschaftswahl am 15. Februar. Da der in den Umfragen führende und bisher allein regierende SPD-Bürgermeister Olaf Scholz vermutlich dieses Mal einen Koalitionspartner brauchen wird und am Mittwoch klipp und klar verkündet hat, „es gibt entweder eine Fortsetzung der jetzigen Regierung oder eine Koalition mit den Grünen“, stellt sich die Frage, was die der mächtigen SPD abtrotzen wollen. Ein wichtiges Anliegen ist den Grünen, die in den Umfragen bei elf Prozent stagnieren, der Bau einer Stadtbahn. Bei der SPD stoßen sie damit auf Granit; wegen der Neutrassierung auf bestehenden Straßen sei das Projekt gegen den Volkswillen nie durchzusetzen, glauben die Genossen. Schon der barrierefreie Umbau von U-Bahn-Haltestellen habe Proteste ausgelöst.

Grüne streiten mit der SPD über die Stadtbahn

Ob die Stadtbahn für die Grünen zur Sollbruchstelle für Koalitionsverhandlungen wird, ist fraglich. Katharina Fegebank meint sibyllinisch: „Es ist unklug, schon vor der Wahl in Verhandlungen zu treten und mögliche Knackpunkte zu nennen.“ Die Grünen wollen auch einen „ökologischeren Hafen“ und den Anteil der Fahrräder ähnlich wie in Kopenhagen in zehn Jahren auf ein Viertel des Gesamtverkehrs hochschrauben. Und sie wollen, dass die „Bafög-Millionen“, die durch die Kostenübernahme des Bundes fließen, den Universitäten zugutekommen. Der SPD-Senat hatte sie in den allgemeinen Etat gesteckt.

„Die Umwelt- und Klimapolitik spielte in den letzten vier Jahren keine Rolle“, sagt Katharina Fegebank kritisch über Scholz. Ansonsten aber ist wenig Dissens zur SPD herauszuhören. Selbst bei der Elbvertiefung – die großen Schiffen den Zugang zum Hafen ermöglichen soll, ökologisch aber bedenklich ist – haben die Grünen die Waffen gestreckt. Dagegen zu sein sei in Hamburg keine „mehrheitsfähige Position“ sagt Fegebank, ohnehin sei das Projekt derzeit vor Gericht: „Wir Grünen können Mittler sein zwischen den Umweltverbänden und den Elbvertiefern in Hafen und Behörden.“

Die FDP meldet sich zurück

Auf Krawall scheinen die Hamburger Grünen also nicht gebürstet zu sein. Dennoch malt die FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding das Schreckgespenst der „grünen Wirtschafts- und Technologiefeindlichkeit“ an die Wand, falls Rot-Grün komme. Suding, PR-Fachfrau und geschiedene Mutter zweier Kinder, hat bei der Wahl 2011 das liberale Wunder an der Alster geschafft: Als „frisches Gesicht“ der FDP posierte sie im gelben Friesennerz auf den Plakaten und schaffte mit 6,7 Prozent den Wiedereinzug ins Stadtparlament – nach zwei Legislaturperioden Pause. Es ist gut möglich, dass Suding erneut die FDP in die Bürgerschaft führt. Ihr Plakatmotiv heißt diesmal: „Unser Mann für Hamburg: Katja Suding“ – die Ironie kommt offenbar an. Umfragen sehen die FDP wieder bei sechs Prozent.

Mit der schwächelnden Hamburger CDU hat Suding das Tischtuch zerschnitten: Es gebe keinen Grund, CDU zu wählen, sagte sie in einem Interview. Und wie viele Stimmen die Union erhalte – zurzeit liegt sie bei 19 Prozent – sei „völlig egal“. Der CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich, der sich einer großen Koalition auch nicht verschließen würde, nahm Suding das sehr übel, er sprach daraufhin der FDP jegliche Regierungsfähigkeit ab und wies darauf hin, dass die Liberalen sich im vergangenen Herbst selbst zerlegt hätten: die FDP-Landesvorsitzende Sylvia Canel warf der FDP mangelnde soziale Kompetenz und Empathie vor und wechselte zur Neugründung „Neue Liberale“.

Diese Tugenden sind bei der Linkspartei eher verortet. „Abgescholzt – umfairteilen statt kürzen“ heißt ihr Motto in Hamburg. Dass sie vom wirtschaftsfreundlichen Scholz um eine Koalition gebeten werden, halten sie für so wahrscheinlich wie Schnee in der Wüste: Man sei klare Opposition. Die Linke ist nicht nur in Arbeitergegenden, sondern auch in den Szenevierteln stark. „Wir haben die kritischen Intellektuellen hinter uns“, sagt Norbert Hackbusch, ein Abgeordneter der Bürgerschaft, der im Schanzenviertel auf rund 30 Prozent der Stimmen kam. Deshalb plakatiert die Linke Slogans wie „Bleiberecht für alle“, was selbst vielen Grünen als zu „realitätsfern“ vorkommt.

Für eine Überraschung könnte noch die Alternative für Deutschland sorgen – angeblich 500 Mitglieder stark und laut Umfragen mit fünf Prozent erstmals auf dem Sprung in die Bürgerschaft. Die AfD spielt im weltoffenen Hamburg die Migrantenfrage eher klein, Pegida gibt es hier nicht, und ein Brandanschlag auf eine Asylunterkunft hat allgemeines Entsetzen ausgelöst. Auch der Euro ist kein Thema für die AfD: Über den werde ja nicht in Hamburg entschieden, sagt Jörn Kruse, der Spitzenkandidat, ein Wirtschaftsprofessor. Punkten will die AfD – ähnlich wie die CDU – mit leistungsorientierter Schulpolitik und der inneren Sicherheit. „Ändern Sie nicht Ihre Meinung, ändern Sie die Politik!“, heißt es auf den AfD-Plakaten. Das ist eine deutliche Einladung an Protestwähler jeglicher Couleur. In Altona und dem Schanzenviertel, so sagt Kruse, plakatiere man aber gar nicht. Denn die Plakate würde dort nicht lange hängen.