Wahlkampf 4.0 bringt der CDU den Erfolg bei den Landtagswahlkämpfen dieses Jahre. Zigtausende Hausbesuche in Kombination mit digitaler Unterstützung sind das neue Rezept, das auch bei den Bundestagswahlen durchschlagen soll. Vorne dabei ist Junge Union.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Zahlen der Meinungsforscher von Infratest dimap sprechen für sich: 310 000 Wähler hat die CDU in Nordrhein-Westfalen der SPD abspenstig gemacht sowie 90 000 den Grünen. Hinzu kommen 430 000 Nichtwähler und 70 000 „andere“ Befragte. Die überraschend starke Mobilisierung fiel nicht vom Himmel, sondern wurde erzielt mit einer neuen Strategie und massivem Personaleinsatz. Dabei feierte wie schon im Saarland und in Schleswig-Holstein der Straßenwahlkampf eine Renaissance, wenngleich mit digitaler Unterstützung. Connect 17 nennt sich das Konzept, für das die CDU die drei Landtagswahlkämpfe dieses Jahres als Testläufe auserkoren hatte.

 

Entwickelt worden ist es jedoch für den Wettbewerb ums Kanzleramt. Dabei geht es nicht nur um die Meinungshoheit in den sozialen Medien, etwa bei Facebook, Twitter, Instagram oder Snapchat – dort versuchen die anderen Parteien mit ihren Methoden auch eine möglichst große Zahl von Wählern zu erreichen. Herzstück von Connect 17 ist vielmehr eine Smartphone-App, die Informationen über die Wähler zu einem punktgenauen Lagebild verdichtet. Grundlage ist eine sogenannte Potenzialanalyse von Infratest dimap, wie sie jede Partei kaufen kann, verbunden mit Adressdaten, wie sie auch von der Werbeindustrie genutzt werden. So kann der Wahlkämpfer in den Straßenzügen, wo besonders viele CDU-affine Wähler, Wechsel- oder Nichtwähler zu finden sind, an den Haustüren klingeln, um Infomaterial loszuwerden und für seine Partei zu werben. Ziel ist es nicht, Grundsatzdebatten an den Türen zu führen, sondern mehr Präsenz zu zeigen. Mobilisierung 4.0 sozusagen.

„Mit Tür zu Tür zum Triple“

Verantwortlich für den CDU-Wahlkampf ist Generalsekretär Peter Tauber. Doch bei Connect 17 hat der Bundesgeschäftsführer der Jungen Union, Conrad Clemens, die Federführung. Seine Truppe geht mit gutem Beispiel voran: Bei der NRW-Landtagswahl nahm der JU-Landesvorsitzende Florian Braun dem Kölner SPD-Chef Jochen Ott das Direktmandat ab – mit 377 Stimmen Vorsprung. Dazu hatte er mit Unterstützern zuvor mehr als 3000 Haushalte aufgesucht.

Im ganzen Bundesland wurden allein in der vorigen Woche noch 30 000 Haustüren angesteuert. Auch deswegen, so hält man sich zugute, sei die Wahlbeteiligung in NRW um 5,6 Prozent gestiegen. Schon im Saarland hatte die CDU bei knapp 800 000 Wahlberechtigten an die 75 000 Wahlberchtigte besucht, in Schleswig-Holstein 65 500.„Mit Tür zu Tür zum Triple“, jubelte das Team von Connect 17 via Twitter an diesem Sonntagabend.

In Baden-Württemberg, so versichert der JU-Landeschef Nikolas Löbel, wird das Instrument ebenso auf breiter Front eingesetzt werden. „Der Haustürwahlkampf ist ein ganz zentrales Element vor diesen Bundestagswahlen“, sagt er. Die drei Landtagswahlen hätten „gezeigt, dass wir vor allem bei Nichtwählern punkten können, indem wir direkt auf die Menschen zugehen“. Das habe man der Union nicht unbedingt zugetraut, dass sie nach zwölf Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel positiv mobilisieren könne. „Wir verstecken uns nicht“, sagt der JU-Vorsitzende. „Wir haben umgeschaltet von Demobilisierung auf Mobilisierung.“

Neue Wege im schwierigen Wahlkreis Mannheim

Löbel kandidiert zur Bundestagswahl im Wahlkreis Mannheim und will den Sommer intensiv für Straßenwahlkampf nutzen. Schon im Juli will er damit loslegen. „Haustürbesuche haben nur einen Effekt, wenn sie eine gewisse Zahl erreichen“, sagt er. Also müsse man wochenlang unterwegs sein für mehrere Tausend Kontakte. In Mannheim hat er es mit einer SPD-Hochburg und relativ vielen AfD-Sympathisanten zu tun. Dies bedeute, dass es relativ viele Wechselwähler gebe, sagt er. Und „ich muss bei einer bürgerlichen Klientel punkten, die bei der Landtagswahl die Grünen gewählt hat“. Auch CDU-Abtrünnigen, die nun zu den Rechtspopulisten tendieren, muss er an der Tür die richtigen Antworten geben können.

Der Datenschutz setzt Grenzen

Etwa 4000-mal wurde die App Connect 17 bisher heruntergeladen. Nach jedem Besuch werden dort die Reaktionen der Bürger eingetragen. Außer wenn jemand Material per E-Mail erhalten möchte, würden keine personenbezogenen Daten gesammelt, beteuert Löbel. Dies wäre somit ein gravierender Unterschied zum amerikanischen System. Beim Big-Data-Wahlkampf in den USA muss jeder Wähler mit zielgerichteten Anrufen vom Kandidaten oder dessen Team rechnen. Hierzulande verhindert der Datenschutz einen Zugriff der Parteien auf die Wählerregister und exakte soziale Daten.

Via GPS wird der Einsatzort ermittelt und die Einstellung der Bewohner gegenüber der CDU festgehalten. Virtuelle Punkte sind der Lohn. Das fördert den Wettstreit: Wer mehrere Tausend Punkte einheimst, erreicht den Status „Wahlkämpfer“. Je mehr Punkte, desto wohlklingender der Rang. „Wahlkampf-Legende“ ist der höchste. Das Konto kann auch mit dem Teilen von Botschaften bei Facebook und Twitter, mit Direktkontakten per Whatsapp und SMS gefüttert werden. Die Punktekönige, so heißt es, würden von Angela Merkel kontaktiert.