Landtagspräsident Guido Wolf und Landesparteichef Thomas Strobl wetteifern in einer Art Schönheitswettbewerb um die Gunst der Partei. Wer darf 2016 als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl antreten?

Stuttgart - Es ist ein bisschen wie im Kino, wo auch das Murmeltier täglich grüßt; morgens um sechs weckt es Bill Murray, der den Fernsehansager mimt, der in der Zeitschleife hängt. Bei der CDU Baden-Württemberg grüßen Guido und Thomas, man kennt sie als die Herren Wolf und Strobl, Landtagspräsident der eine, Landesparteichef und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender der andere. Immer abends um sieben steigen sie auf die Bühne, in Sinsheim und Göppingen, in Singen und Ilshofen, heute winken sie in Biberach, morgen in Appenweier. Sie recken die Arme in die Höhe und heischen nach dem Jubel ihrer jeweiligen Anhänger.

 

Der Wettstreit um die CDU-Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2016 hat seinen Höhepunkt erreicht. In sechs Regionalkonferenzen präsentieren sich die zwei Matadore der Parteiöffentlichkeit. Die Basis soll sich ein Bild machen von den beiden Männern im besten Alter, die sich anschicken, dem populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann Paroli zu bieten. Kretschmann ist ein Problem für die CDU, in der für die meisten die Rückkehr an die Macht als so gut wie ausgemacht gilt. Mit den Grünen werde man schon fertig, sagen die Christdemokraten, mit der SPD sowieso. Aber die Popularität des Grünen macht ihnen zu schaffen. Kretschmann ist der Fels, den sie aus dem Weg räumen müssen. „Was ich nicht verstehe“, sagt ein Christdemokrat bei der Kandidatenbefragung beim Auftakt in Sinsheim, „weshalb der Name, den man heute Abend am häufigsten hört, Kretschmann lautet.“

Harmonie unter Parteifreunden Foto: dpa

Der Erfolg Kretschmanns, so wird das in der CDU wahrgenommen, gründet weniger in dessen politischen Aussagen, sondern darin, dass Kretschmann eben Kretschmann ist. Der Mann gilt als authentisch. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sich Strobl und Wolf auf das Modellieren eines christdemokratischen Wohlgefühls verlegen, inhaltlich jedoch wolkig bleiben. Zumal konkrete Inhalte, so erklärt sich das ein Landtagsabgeordneter, gar leicht zu Stimmverlusten bei der Mitgliederbefragung führen können – wenn der Kandidat gefällt, dessen Position aber nicht. So geraten die Regionalkonferenzen zum bloßen Schönheitswettbewerb.

Bis zu 80 Prozent haben sich entschieden

Die meisten, die kommen, seien ohnehin schon festgelegt, sagen erfahrene Parteileute. Sie taxieren den Anteil der schon Entschiedenen auf bis zu 80 Prozent. Es gehe also darum, die Regionalkonferenzen als Resonanzraum zu nutzen, um den Kandidaten des eigenen Lagers an die Daheimgebliebenen zu vermitteln. Leicht indigniert berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von „gut choreografierten Inszenierungen“, die an US-Wahlkämpfe erinnerten.

Thomas Strobl gibt in Sinsheim (1400 Zuhörer), seine Frau Christine stets an der Seite, den Kennedy und erwischt einen Traumstart. Die Umfrage von Stuttgarter Zeitung und SWR weist ihn als denjenigen der beiden Aspiranten aus, dem mehr Leute den Erfolg bei der Landtagswahl zutrauen. Strobls Vortrag ist glänzend einstudiert, Guido Wolf rumpelt in seiner Rede – einen Pulk lärmender Strobl-Anhänger vor sich – fahrig dahin. Zudem hatte er zuvor Anlass zu dem Vorwurf gegeben, er verspreche voreilig Kabinettsposten. Doch Wolf steigert sich. Schon in Göppingen (750 Besucher) schließt er rhetorisch zu Strobl auf, und in Singen vollends, vor heimatnaher Kulisse (850 Teilnehmer), spielt er mit dem ihm zugeneigten Publikum. Strobls Mann am Tisch mit den Give-aways (Strobl-Ansteckbuttons, Strobl-Gummibärchen, Strobl-Brausepulver) fristet ein einsames Dasein. „Das hier ist nicht unser Landstrich“, erkennt er.

Jubel-Tuttlinger? Foto: dpa

In beiden Lagern steigt die Nervosität. Schließlich geht es nicht nur für Wolf und Strobl, sondern auch für ihre jeweilige Korona um Einfluss, Machtteilhabe und Posten. Man beginnt, sich gegenseitig „Schmutzeleien“ vorzuwerfen. Im Wolf-Lager beanstanden sie ein Flugblatt aus den Strobl-Reihen, das die Umfrage unzulässig zu Gunsten des eigenen Favoriten verfälsche. Auch dass die Landesgeschäftsstelle die für Strobl vorteilhafte Umfrage in einer kurzen, neutralen Zusammenfassung an die Mitglieder des Landesvorstands verschickte, wurde registriert.

Wird der Wahlkampf noch richtig hässlich?

Umgekehrt mokieren sich Strobl-Anhänger über einen Prospekt der Wolf mehrheitlich zugewandten Landtagsfraktion. Er wurde flächendeckend an die Haushalte verteilt und setzt den Parlamentspräsidenten in Szene. Außerdem raunen Strobl-Unterstützer von Handgreiflichkeiten, die ihnen in Singen in Aussicht gestellt worden seien, sollten sie ihre Strobl-Plakate schwenken. Und sie sticheln über die „Jubel-Tuttlinger“, die der frühere Tuttlinger Landrat Wolf zu den Regionalkonferenzen kutschieren lasse.

Auf die Existenz der Jubel-Tuttlinger deuten Mobilisierungsmails wie diese hin: „Hallo zusammen, wie Ihr wisst, finden derzeit die Regionalkonferenzen zur Kür des Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahl 2016 statt. Es bewerben sich Thomas Strobl und unser Landtagsabgeordneter und Präsident des Landtags von Baden-Württemberg , Guido Wolf! Nun der Aufruf an Euch: Morgen, Dienstag 18. 11. 2014, findet um 19 Uhr in Ilshofen (Landkreis Schwäbisch Hal) die 4. Regionalkonferenz statt. Hierfür werden noch junge Leute als Unterstützer für Guido Wolf benötigt!!! Denn es wird der SWR vor Ort sein – und es zählt jeder Mann / jede Frau!!!! Wer kurzfristig freinehmen kann oder seine Zeit flexibel einteilen kann, möge sich das überlegen. Das Wahlkreisbüro von Guido Wolf hat einen Bus um 14.30 Uhr ab Tuttlingen organisiert . . .“

Button-Verteiler Foto: dpa

Doch Wolf findet nicht nur unter Tuttlingern Anklang. Der Stuttgarter Thomas Hugendubel zum Beispiel sagt am Rande des Duells in Göppingen: „Wir in Stuttgart brauchen einen wirklichen Neubeginn.“ Dass Strobl nicht nur Günther Oettinger, sondern auch Stefan Mappus gedient habe, „spielt in Stuttgart schon eine Rolle.“ Der 32-jährige Göppinger Kommunalpolitiker Matthias Kreuzinger sitzt in einem Pulk junger Leute, die die Plakate mit dem bebrillten Wolfskopf schwenken. „Wolfserwartungsland“ steht drauf. Kreuzinger sagt: „Wolf ist vom Typ her ein bisschen mehr bei den Leuten. Er kommt vom Typ her authentisch rüber. Der Strobl wirkt sehr kontrolliert – und achtet arg darauf, wie er rüberkommt. Wolf ist der Mann der ruhigeren, feineren Töne, Strobl eher der typische Politiker.“

Typischer Politiker oder „politischer Kopf“?

Letzteres klingt bei den Strobl-Anhängern ganz ähnlich, meint aber etwas völlig anderes. Für sie ist Thomas Strobl nicht der typische Politiker, sondern „der politischere Kopf“, wie einer in Singen befindet. Strobl sei zuzutrauen, dass er auch dann noch stehe, wenn Gegenwind aufkommt. Strobl verfüge über die größere Erfahrung. Ein anderer sagt, die CDU benötige für Landtagswahl einen Gegenpol zu Kretschmann, kein Imitat.

Strobl, der in den Fragerunden über die Bühne tänzelt wie der Conférencier einer Fernsehshow, zeigt sich in den größeren politischen Zusammenhängen tatsächlich prägnanter als Wolf. Auf den Umgang mit der AfD angesprochen, sagt er: „Wer Deutschland spaltet in einen Euro-Nord und Euro-Süd, der hat mit einem Exportland wie Baden-Württemberg nichts Gutes vor.“ Wolf verfolgt in seiner Antwort eine andere Strategie. Er mahnt auf der Suche nach Nähe zu den Leuten, die CDU müsse die Menschen gewinnen, die der AfD zuneigten. Strobl, der Kandidat mit dem bundespolitischen Profil, sagt: „Ein Ministerpräsident muss in Berlin auch einmal Beute machen.“ Strobl, der König der Löwen. Wolf, der immer im Land geblieben ist, verweist auf seine kommunalen Wurzeln. Aus diesem Urgrund der Demokratie seien der Landes-CDU schon in der Vergangenheit respektable Ministerpräsidenten erwachsen. Ein versteckter, aber der CDU-Basis leicht zugänglicher Hinweis auf Erwin Teufel. An anderer Stelle verspricht er, so einfallsreich wie Lothar Späth zu agieren.

Wer die Chance erhalten und die Bürde tragen wird, diese Ankündigungen einzulösen, erfährt die Welt am 5. Dezember.