Für David McAllister, den früheren Ministerpräsident von Niedersachsen, ist Europa das Sprungbrett für eine neue Karriere nach der Wahlschlappe in Hannover.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das Schlimmste an Wahlkämpfen sind nicht etwa die Politiker. Schlimmer noch ist der Umstand, dass diese es für modern halten, ihre Auftritte moderieren zu lassen. Die dafür engagierten Hilfskräfte reden dann gelegentlich mehr als die eigentlichen Kandidaten – und häufig auch mehr Unsinn. Das erlebt David McAllister während seiner Europawahlkampagne in Potsdam. Eine Fernsehfrau, die ansonsten Nachrichten im Regionalsender verliest, bespaßt das Publikum, während es auf den prominenten CDU-Mann wartet. „Wir sind ja im Grunde unter uns“, stellt sie fest. McAllister könnte also gleich wieder umkehren. Die eigenen Leute werden ihn schon wählen.

 

Als er den Saal betritt, ruft die Moderatorin: „David McAllister, der …“ Es folgt eine Pause, dann noch ein gedehntes „ähm“. Ist ja auch nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten. Die meisten CDU-Plakate zeigen nur Angela Merkel. Zum Fernsehduell der Spitzenkandidaten schickten die Konservativen unlängst den ehemaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker. McAllister ist bei Wahlkampfauftritten der Kanzlerin aber häufig im Vorprogramm zu sehen. Die CDU leistet sich neben Juncker noch einen nationalen Spitzenkandidaten: eben ihn.

„Merkels Mac“ war nach der Wahlschlappe am Boden

McAllister redet wie Merkels Paladin. Er kann sich gar nicht mehr bremsen vor Komplimenten. „Diejenige, für die wir gerne Politik machen“, nennt er die Kanzlerin. Er schätze sie „unendlich“. Deutschland könne „heilfroh sein, dass wir sie haben“. Die letzte Strophe der Lobeshymne geht im Applaus unter. McAllisters Ergebenheit hat einen Grund: Er hat es Merkel zu verdanken, dass er nach der fatalen Wahlniederlage im Januar 2013 nicht in den Niederungen niedersächsischer Landespolitik untergegangen ist.

334 Stimmen haben ihm damals gefehlt, um Ministerpräsident zu bleiben. Der Auftritt am Morgen nach der Wahl im Adenauerhaus war wohl der deprimierendste Moment seiner Karriere. Selten hat ein Politiker derart entgeistert den Schock des Misserfolgs zur Schau getragen. Die Kanzlerin spendete Trost für „Merkels Mac“, als der er im Wahlkampf aufgetreten war. Anders als sein Vorgänger Christian Wulff pflegt er über die Schutzpatronin auch nicht heimlich zu sticheln. Das eröffnet ihm eine neue Karriere – zumal die CDU auch nicht über ein Überangebot an Talenten wie ihn verfügt.

Sein Potenzial als Stimmenfänger offenbart der 43jährige Jurist, wenn er ins Plaudern kommt. Auf die Frage, warum ein Niedersachse ausgerechnet am liebsten Hamburger isst, ulkt er: Die McAllisters seien „eine Abspaltung vom Clan der McDonalds“ – und hat alle Lacher auf seiner Seite.

Europa ist für McAllister ein Lebensgefühl

Er kann aber auch pathetisch werden. Bei vielen Gelegenheiten erzählt McAllister seine liebste Legende. Sie schildert, wie er im Jahr des Mauerfalls als Soldat des Panzerbataillons 74 vereidigt wurde. Sein Vater, der im Zweiten Weltkrieg mit der 51. Schottischen Highland-Division bei der Alliierten Invasion gegen Nazideutschland gekämpft hatte, sei zu Tränen gerührt gewesen. Er habe sich nicht vorstellen können, jemals in seinem Leben wieder einen Kerl in deutscher Uniform in die Arme zu schließen. Wer ergriffen dieser Anekdote lauscht, wird unweigerlich den Schluss ziehen, dass einer wie McAllister das neue Europa höchstpersönlich verkörpert.

„Europa ist für uns ein Lebensgefühl“, sagt er. „Lasst uns positiv über Europa sprechen“, habe er sich für den Wahlkampf vorgenommen. Vieles, was der CDU-Mann sonst noch vorträgt, klingt ein bisschen, als würde er Prospekte verlesen. Er verfügt ja auch über wenig Erfahrung auf diesem Feld der Politik. Richtig lebhaft wird McAllister, wenn er sich über „radikale Dumpfbacken“ empört, die Europa schlecht redeten. Da werde sogar ein Mensch von der Waterkant „sehr leidenschaftlich“. Aber nur vor eigenem Publikum. Bei einem Auftritt auf dem Marktplatz von Naumburg, wo etliche der „Dumpfbacken“ von sich hören lassen, bleibt McAllister kleinlaut.

Die künftige Rolle des gescheiterten Landespolitikers umschreibt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff so: „Mein Freund David“ müsse künftig dafür sorgen, dass Geld aus Brüssel fließt. Dafür hat McAllister inzwischen auch den Segen des bekennenden Europäers Helmut Kohl. Am vergangenen Freitag war er bei ihm, um Kaffee zu trinken, Kuchen zu essen und Ratschläge mitzunehmen. Welche verrät er nicht. Was die verbleibenden elf Tage bis zum Wahlsonntag angeht, so hält er es mit einem anderen CDU-Patron. McAllister beschließt seine Reden gerne mit einem Zitat von Konrad Adenauer: „Wahlkampf macht Spaß, man muss nur jewinnen.“