Wer kennt seine Bundestagskandidaten? Eine nicht repräsentative Umfrage am Marienplatz bringt Erstaunliches zu Tage. Immerhin, ein Stuttgarter Bundestagskandidat hat einen höheren Bekanntheitsgrad als der frühere Fußballprofi Paul Breitner.

S-Süd - In eineinhalb Wochen wählt Deutschland. Im Fokus des Wahlkampfes stehen Kanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Peer Steinbrück. Die direkten Repräsentanten der Bürger sind jedoch die Abgeordneten aus den Wahlkreisen. Aber wer kennt die hiesigen Bewerber? Wir haben diese Woche Menschen auf dem Marienplatz gefragt. Süd gehört wie die Innenstadtbezirke Mitte, West und Nord zum Wahlkreis I. Zwischen die Bilder der fünf Spitzenkandidaten des Wahlkreises I Stefan Kaufmann, Ute Vogt, Cem Özdemir, Judith Skudelny und Christina Frank haben wir ein Foto des früheren Fußballspielers Paul Breitner geschmuggelt. Der wurde jedoch nicht am häufigsten erkannt.

 

Stefan Kaufmann, CDU

Die Menschen im Stuttgarter Süden erkennen das Gesicht ihres CDU-Bundestagsabgeordneten größtenteils. Doch als Politiker identifizieren sie ihn nicht sofort. „Das Gesicht kenne ich“, sagt zum Beispiel ein junger Mann, aber zuordnen kann er es nicht. Ein anderer kommentiert nur: „Der CDU-Mann.“ Kaufmanns Namen können am Marienplatz nur zwei von zwölf Befragten nennen. „Irgendwo schon einmal gesehen“, haben ihn letztlich zumindest fünf Personen. Nachdem eine Frau mitbekommt, dass der Mann auf dem gezeigten Bild der Abgeordnete ihres Wahlkreises ist, witzelt sie: „Der hat sich aber noch nicht bei mir vorgestellt.“

Ute Vogt, SPD

Von den meisten Menschen auf dem Marienplatz wohlwollend „Ute“ genannt, schneidet Vogt im Vergleich zu Kaufmann etwas besser ab. Viermal wird sie namentlich erkannt und sieben der Befragten meinen, ihr Gesicht zu kennen. Sie einer Partei zuzuordnen, fällt den meisten Passanten leicht. Während ein Befragter ihr Bild mit „eine schöne Frau“ betitelt, meint ein Mann eher ablehnend: „Ja, notgedrungen muss ich sagen: das ist die Frau Vogt“. Doch nicht nur Männer sind uncharmant. „Das soll Ute Vogt sein? Auf ihren Plakaten sieht sie unsympathischer aus“, sagt eine Frau.

Cem Özdemir, Grüne

„Der Cem“, „unser Grüner“ oder „Cem, das ist klar“. Mit sieben von zwölf Passanten, die den grünen Politiker beim Namen nennen, schlägt Özdemir die Kandidaten der beiden Volksparteien. Sein Wahlkampfteam scheint gute Arbeit geleistet zu haben, denn fast alle Befragten können ihn als Grünen-Politiker ausmachen. Auch zwei Jugendliche, die mit Burgern und Pommes Frites beschäftigt sind, rufen begeistert: „Na klar kennen wir den, den Cem.“

Judith Skudelny, FDP

Judith Skudelny wird auf dem Marienplatz hingegen von keinem Passanten erkannt. Zu erklären ist das vielleicht mit der Wahlkampagne der FDP. In Stuttgart sieht man häufiger Plakate mit Porträts von Rainer Brüderle und Dirk Niebel. Nach der Auflösung sagt eine Frau, die mit ihren Töchtern unterwegs ist, über Judith Skudelny und die FPD: „Das ist sowieso nicht meine Partei.“

Christina Frank, Linke

Die Linken müssen in Stuttgart wohl auf die Zweitstimmen der Wähler hoffen. Neben Judith Skudelny ist Christina Frank die Verliererin der Umfrage. Sie wird nur von einem der Befragten erkannt. Der erweist sich als eifriger Unterstützer. „Die Linke Frau Frank“, sagt der junge Mann, der mit seinem Kind unterwegs ist, begeistert. Neben diesem Sympathisanten können die meisten Befragten mit Franks Porträt nichts anfangen. Lediglich ein Mann mit einer offenbar anderen politischen Meinung meint:„Fürchterlich grün sieht die aus.“

Paul Breitner,FC Bayern

Breitners Fußballkarriere ist seit 30 Jahren vorbei. Der ehemalige Bayernprofi, der auch in der Nationalmannschaft erfolgreich gespielt hat, ist jedoch immer noch im Bewusstsein der Menschen präsent. Das merkt man auf dem Marienplatz. Ein Fußballfan, der zuvor keinen der fünf Politiker erkannt hatte, sagt grinsend: „Aba natürli, da Paul Broadna“. Fast 70 Prozent der Befragten erkennen Breitner als Fußballprofi. Damit liegt er zwar hinter Cem Özdemir, ist aber populärer als Kaufmann und Vogt.

Fazit

Ohne Frage, die Kandidaten haben in den vergangenen Wochen fleißig plakatieren lassen. Jedoch scheint das in den Innenstadtbezirken nur wenige zu interessieren. Nicht aus Politikverdrossenheit, sondern weil die Befragten ihre Wahl von den Parteiprogrammen und nicht den Kandidaten abhängig machen. Viele wissen bereits genau, welche Partei sie am 22. September wählen wollen. Danach wollen sie auch ihre Erststimme vergeben, egal, ob sie die Kandidaten kennen oder nicht.