Der Wald im nördlichen Kreis Böblingen ist von der Trockenheit besonders betroffen.

Rutesheim - Meine Freunde, die Bäume, sind tot. Kein Axtschwinger hat sie umgehauen im Morgenrot und auch kein Kettensägen-Träger hat sie gefällt. Sie sind verdurstet und verhungert. Myriaden von Käferlarven haben ihren Lebensfluss angezapft und unter der abbröckelnden Borke ein eigentlich schönes Todesmuster hinein genagt.

 

Wer glaubt, dass der Klimawandel Fiktion ist, der sollte offenen Auges durch die Wälder im nördlichen Kreis Böblingen gehen. Zum Beispiel in Rutesheim: Wenige Hundert Meter hinter der Kraxlalm stehen imposante Tannen. Doch auch der Laie sieht, dass sie darben: Die Nadeln sind fast rot, die Borkenkäfer haben ganze Arbeit geleistet. „Das ist das Werk von etwa vier bis sechs Wochen“, sagt Ulrich Neumann. Rundum lagern große Stöße bereits gefällter und entrindeter Tannen.

Starker Käferbefall

Der Förster ist für die Wälder von Rutesheim und Weissach zuständig. „In diesem Areal sind wir schon drei Mal zugange gewesen, um befallene Bäume zu fällen“, sagt Neumann. Der Käferbefall sei so stark, dass man praktisch nur hinterherlaufen und reagieren könne. „Den Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungsmittel wollen wir nicht, aber es ist wichtig, die Schäden zügig aufzuarbeiten, um den Wald so gesund wie nur möglich für die kommenden Generationen zu erhalten“, sagt der Rutesheimer Förster. Viele private Waldbesitzer in den Waldregionen des Südwestens seien bereits ruiniert. „Sie können nichts mehr tun und haben aufgegeben“, zeichnet Neumann ein Bild der vielerorts aussichtslosen Lage.

Die Wälder als Naturraum für Flora und Fauna zu erhalten, mit ihren Funktionen als Wirtschaftsfaktor, Erholungsräume, Wasserschutzgebiete ist und wird keine leichte Aufgabe sein, angesichts der klimatischen Entwicklung. „Die vergangenen fünf Jahre sind die wärmsten gewesen und dazu kommt noch Dürre“, sagt Inge Hormel, die beim Forstamt als Revierleiterin für den Wald im Norden des Kreises Böblingen zuständig ist.

„Es ist dramatisch“

Hormel weiß: In diesem Teil des Landkreises ist es um vieles dramatischer als im Süden. „Im Schönbuch ist es entspannter, hier hat es auch mehr geregnet und der Keuper-Boden speichert Feuchtigkeit besser als der Muschelkalk im Norden“, erklärt die Bezirksrevierleiterin. In diesem Teil gibt es auch mehr Nadelholz, das von den Schäden mehr betroffen ist. Die Bilanz lautet daher: Von den bisher 18 000 Festmetern Schadholz im Landkreis entfallen 16 000 Festmeter auf die Wälder im nördlichen Teil.

Gespenstisch stellt sich die Lage zum Beispiel in einem Teil des Laubwaldes in Richtung Heimerdingen dar. Während unten überall ein wenige Meter hoher dichter, junger Wald den Eindruck vermittelt als sei alles in Ordnung, genügt es den Blick ein wenig zu heben, um das Drama zu sehen. „Noch im Frühjahr hat es ausgesehen, als sei alles in Ordnung“, schildert Ulrich Neumann, der Rutesheimer Förster. Doch innerhalb eines halben Jahres haben sich Hunderte der 150 Jahre alten Buchen in dem Areal in trockene, gespenstige Kronengerippe verwandelt. „Sie sind einfach verdurstet“, sagt Inge Hormel. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, ist Ulrich Neumann von diesem Bäumesterben erschüttert.

Nicht genug, dass sie der Trockenheit zum Opfer gefallen sind, werden sie jetzt auch noch zur ständigen Gefahrenquelle für die Forstarbeiter. Die Forstwirte der Stadt- und Gemeindeverwaltungen sind schon seit mehr als anderthalb Jahren mit dem „Holzmachen“, also mit Fällarbeiten beschäftigt. „Das geht an die Substanz“, weiß Neumann. Denn die übliche Fäll-Saison dauert normalerweise im Winter nur vier bis sechs Monate.

Gefahr für die Arbeiter

Vorarbeiter Heiko Ebel aus Rutesheim zeigt an einer geschädigten und leicht zugänglichen Buche – was eher die Ausnahme ist – wie vorsichtig vorgegangen werden muss. „Jede Erschütterung kann abgestorbene Äste abbrechen lassen, die dann auf uns herabfallen“, erklärt er. Deshalb musste in Rutesheim neues Gerät angeschafft werden, wie etwa fernsteuerbare Keile, mit denen die angesägten Bäume zu Fall gebracht werden können. Diese Keile werden sonst mit Axtschlägen eingetrieben – nun drohen die Äste aus den dürren Buchen herabzufallen.

Doch wie soll es nun weiter gehen? „Wenn wir keine Unterstützung von der Natur bekommen in Form von reichlich Regen, sieht es nicht gut aus“, müssen die beiden Fachleute einräumen. Bei hoher Feuchtigkeit werden die Käferlarven nämlich von Pilzen befallen und gehen ein. Etwa zwei bis drei Jahre werde es wohl mit den Käfern weitergehen, prognostizieren die Förster.

Dann werde man einerseits auf die Naturverjüngung setzen. Da gilt es dann den Wilddruck, sprich das Abfressen der jungen Schösslinge, gering zu halten, heißt es in Richtung der Jäger. Andererseits sollen in den geschädigten Flächen verstärkt Douglasien als Nadelholz und Eichen als Laubbäume nachgepflanzt werden. „Aber da zeichnet sich schon jetzt eine Knappheit beim Pflanzmaterial ab“, hat Förster Ulrich Neumann festgestellt.