Der älteste Grabstein auf dem Alten Friedhof in Waldenbuch erinnert an das harte Regiment der Waldvögte zwischen 1534 und 1807. Wer wilderte, den erwartete eine fürchterliche Strafe.

Waldenbuch - Das schwere Eisentor knarzt und gibt nur widerwillig den Weg in eine verwunschene Welt frei, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Dicke Sandsteinmauern dämpfen die Geräusche der verkehrsreichen Morgenstunde. Zwischen Büschen und Bäumen erheben sich steinerne Zeugen der Geschichte. Auf dem Alten Friedhof in Waldenbuch stehen die ältesten Grabsteine der Kommune. Ein Solitär ist das Grabmal des Waldvogts Endriß Breitner aus dem Jahr 1551.

 

Die Inschrift lässt sich nur noch schwer entziffern. Das Wappen mit Helm, Hirsch und Hüfthorn im unteren Teil des Sandsteins weist schwere Schäden auf. Seit 467 Jahren trotzt der älteste noch datierbare Grabstein der Schönbuchstadt den zerstörerischen Kräften der Natur. Zunächst auf dem Gottesacker an der Stadtkirche. Ende des 17. Jahrhunderts dann wurde die Ruhestätte auf den Alten Friedhof an der Echterdinger Straße verlegt.

Ein Kleindenkmal, das weitgehend unbeachtet darauf wartete, wie die Zeit verstrich. Doch das soll sich nun ändern. In einer ersten Sanierungsrunde auf dem Alten Friedhof war der Stein des Waldvogts zwar ausgeklammert worden. Jetzt aber hat ihn die Bürgerstiftung entdeckt. „Dieses historische Kleinod steht für ein spannendes Kapitel der Geschichte, das nicht in Vergessenheit geraten darf“, sagt die Stiftungs-Vorsitzende Petra Berger.

Strafe für die Beteiligung am Aufstand des Armen Konrad

Den Auftrag für die Konservierung des ältesten Waldenbucher Grabsteins hat die Stuttgarter Restauratorin Juliane Weigele bereits erhalten. Die voraussichtlichen Kosten von 3400 Euro teilen sich Stadt und Bürgerstiftung. Der Gemeinderat hat die Mittel schon bewilligt. Die Bürgerstiftung will bei zwei Veranstaltung im Herbst 2018 und Frühjahr 2019 die Bürger für das Projekt begeistern und die Kasse mit dem Erlös sowie Spenden füllen.

Tatsächlich bildet die Tätigkeit der Waldvögte in Waldenbuch ein beeindruckendes Kapitel der Stadtgeschichte ab. Und wie so oft weiß ein Mann besonders detailliert und spannend vom Leben der Altvorderen zu berichten: der passionierte Heimatforscher Siegfried Schulz. „Wir wissen wenig über die Person von Endriß Breitner, aber einiges über eine Reihe von Waldvögten“, erklärt er bei einem Besuch auf dem Friedhof.

1534 hatte Herzog Ulrich von Württemberg den Sitz der Verwaltung für den Tübinger Forst von Bebenhausen nach Waldenbuch verlegt. „Ich gehe davon aus, dass die Maßnahme als Strafe für die Beteiligung von Bürgern aus Waldenbuch und Glashütte am Aufstand des Armen Konrad von 1514 gedacht war“, sagt Schulz. Begeistert sei man davon sicher nicht gewesen. Denn: „Die Waldvögte waren die meist gehassten Leute.“

Die Machtfülle der Waldvögte war groß

Als erster Waldvogt lebte Dietrich Kneusser von 1534 bis 1547 im Waldenbucher Schloss. Auf ihn folgte Endriß Breitner. „Er hat nicht länger als zwei Jahre gewirkt“, erzählt Schulz. Insgesamt gab es in Waldenbuch 16 Waldvögte. Ihre Machtfülle war groß. „Sie setzten als oberste Forstbehörde die polizeilichen Aufgaben in der Schönbuchstadt um“, berichtet der Heimatforscher.

Wichtigste Aufgabe der Waldvögte, denen zahlreiche Forstknechte unterstanden, war der Schutz des Holzes und des Wildes. „Die Jagd war zu dieser Zeit ein Vorrecht der Fürsten. Zu Hause hungerten Frau und Kinder, und in den Äckern stand das Vieh und fraß den Bauern die Ernte weg“, weiß Schulz. Auch die Jagdgesellschaften nahmen keine Rücksicht und pflügten mit ihren Pferden durch die Äcker.

Holz war ebenfalls ein Thema, an dem sich zahlreiche Konflikte entzündeten. Es wurde zum Bauen, Heizen und Werken benötigt und bildete die Lebensgrundlage vieler Bürger. Doch nur ein Wagner und ein Schmied aus der Stadt durften sich laut dem Waldenbucher Vertrag von 1514 an den kostbaren Ressourcen bedienen. „Die Archive der Stadt sind voll mit Klageschriften“, hat Siegried Schulz recherchiert.

Augen ausstechen, Hand abhacken

Der Waldvogt passte auf, dass die Regeln eingehalten wurden, und er konnte schwere Strafen verhängen. Wer im Wald mit einem Schießgerät angetroffen wurde, dem sollten nach einem Gesetz vom Herzog Ulrich beide Augen ausgestochen werden. Auch die milderen Strafen hatten es in sich. „Dann wurden die Hand oder der Schwurfinger abgehakt“, berichtet der Heimatforscher. Beim Diebstahl von Holz drohten hohe Geldstrafen. „Soweit wir wissen, haben die Forstbeamten hier eifrig mitkassiert“, erzählt Schulz.

Bis ins Jahr 1807 wirkten die Waldvögte – nach 1707 trugen sie den Titel Oberforstmeister – in Waldenbuch mit harter Hand. Dann wurde die Forstverwaltung wieder nach Bebenhausen zurückverlegt. Neben Endriß Breitner finden sich auf dem Alten Friedhof der Schönbuchstadt noch zwei Grabsteine seiner Kollegen. Einer davon erinnert an Eberhard Ludwig Reinhard von Roeder, der von 1740 bis 1792 in Waldenbuch tätig war. „Er hatte das Herz auf dem rechten Fleck, nahm die Sorgen der Bevölkerung ernst und war gern gesehener Gast in den Gasthäusern der Stadt“, erzählt Siegfried Schulz. Doch das ist eine andere Geschichte, die in der verwunschenen Welt hinter dem schweren Eisentor entdeckt werden kann.