Bei einer Feier in Flacht stürzt ein Mädchen von einer Empore. Wer verantwortlich ist, bleibt offen.

Prozess - Es war ein fröhliches Fest, mit dem die Zehntklässler der Weil der Städter Realschule im Juli 2017 in der Flachter Hütte ihren Abschluss feierten. Doch für die Organisatorin der Party wurde die Veranstaltung zu einem traumatischen Erlebnis: Als sie die Feier gegen 2 Uhr am Morgen beenden wollte, weil Anwohner sich wegen der lauten Musik bei der Polizei beschwert hatten, gab es lautstarke Proteste unter einigen der rund 250 Feierwütigen. Auf einer Empore, wo die Musikanlage aufgebaut war, kam es zu Handgreiflichkeiten, dabei stürzte die damals 18-Jährige mehrere Meter tief und zog sich eine Gehirnerschütterung und zahlreiche Prellungen zu.

 

Vier junge Männer zwischen 19 und 22 Jahren mussten sich nun vor dem Leonberger Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen Nötigung und gefährliche Körperverletzung vor. Nach ihren Ermittlungen sollen die vier Angeklagten auf die Empore gestiegen sein, als die Musik ausgegangen war und die Organisatorin und ihren damaligen Freund geschubst und beleidigt haben. Ein 22-Jähriger soll sie ins Gesicht geschlagen haben. Als sie gerade über eine Leiter nach unten steigen wollte, soll ein anderer 22-Jähriger diese mit dem Fuß weggestoßen haben.

Diese Vorwürfe weisen die vier Angeklagten weit von sich. „Ich kann darüber nur lachen, ich habe damit nichts zu tun“, sagt ein 22-Jähriger. Er räumt ein, zusammen mit einem Kumpel auf die Empore gestiegen zu sein und sich wegen des Partyendes beschwert zu haben. Geschubst habe er jedoch niemanden, im Gegenteil: „Mein Kumpel ist geschubst worden, ich habe ihn auf der Leiter gerade noch auffangen können“, erklärte er.

Alle Angeklagten weisen die Schuld von sich

Besonders unangenehm ist die Anklage für einen zweiten 22-Jährigen, der gerade eine Ausbildung bei der Polizei macht. Doch er hat ein reines Gewissen. „Ich war nur ein paar Minuten auf der Party, weil ich einen Freund abholen wollte“, erzählte er. Auf der Empore sei er gar nicht gewesen, er wisse nicht einmal, dass es dort eine solche gebe. Die Organisatorin der Party kenne er überhaupt nicht.

Der dritte Angeklagte, 19 Jahre alt, räumt ein, zusammen mit einem Freund auf der Empore gewesen zu sein. Nach einem kurzen Wortgefecht sei er beim Rückwärtsgehen über ein Kabel gestolpert und hingefallen, dann sei das Licht ausgegangen. „Da war viel Getrampel um mich rum. Mein Freund hat mir dann wieder hochgeholfen, und wir sind auf schnellstem Weg wieder runter“, erzählte er. Von der Verletzung der Organisatorin habe er erst am nächsten Tag erfahren.

Auch der Angeklagte Nummer vier, 21 Jahre alt, weist jeglichen Tatvorwurf weit von sich. „Ich war die meiste Zeit vor der Hütte, weil mir die Musik nicht gefallen hat“, erklärte er. Er habe mit dem Freund der Organisatorin draußen gestritten, weil dieser seinen Cousin angegriffen habe. Später habe er sich bei der Organisatorin per WhatsApp erkundigt, warum gegen ihn Anklage erhoben worden sei.

Die junge Frau, inzwischen 20 Jahre alt, hatte die vier Angeklagten bei der Polizei belastet. Fast zwei Jahre später konnte sie im Zeugenstand jedoch nicht viel zur Aufklärung beitragen. „Ich kann mich nicht mehr an die Vorfälle erinnern, ich habe alles verdrängt“, sagte die junge Frau mit fester Stimme. Bis heute habe sie Angstzustände, wenn sie Leute von damals wieder treffe oder darauf angesprochen werde. „Es kommt mir so vor, als ob das alles noch einmal passiert“, sagte die 20-Jährige, die sich aber nicht psychologisch betreuen lassen will.

Vorwurf lässt sich nicht bestätigen

Sie konnte sich nur noch daran erinnern, dass die Party eskaliert sei, als sie gegen 2 Uhr erklärte, sie müsse „den Laden jetzt dicht machen“. Auf der Empore seien viele Leute gewesen, sie sei beleidigt und geschlagen worden. An den Sturz von der Leiter selbst könne sie sich nicht mehr erinnern, erklärte sie auf die einfühlsamen Fragen der Richterin Sandra De Falco. Sie sei über Nacht im Leonberger Krankenhaus gewesen, Schmerzen habe sie über einen längeren Zeitraum gehabt.

Obwohl De Falco insgesamt 18 Zeugen anhörte, die auf der Party waren, ließen sich die Geschehnisse nicht mehr eindeutig rekonstruieren. Einige Zeugen stützten sogar die Aussagen der Angeklagten, den Sturz will kein einziger mitgekriegt haben, nicht einmal ihr damaliger Freund. Einige wollen sogar erst am nächsten Tag davon erfahren haben. Nach zwei langen Verhandlungstagen fielen die Plädoyers dafür kurz aus: Sowohl der Staatsanwalt als auch die vier Verteidiger plädierten auf Freispruch für ihre Mandanten.

Dem entsprach dann auch Richterin Sandra De Falco in ihrem Urteil, in dem sie den hohen Aufwand rechtfertigte: „Es war kein geringer Vorwurf, der im Raum stand, und vor allem für den Polizeimeisteranwärter wären die Folgen hart gewesen“, stellte sie klar. Die Zeugenaussagen seien jedoch nicht in Einklang mit den Vorwürfen des bedauernswerten Opfers zu bringen gewesen, so dass die Freisprüche die einzig mögliche Entscheidung gewesen seien. Die vier Angeklagten nahmen das Urteil mit großer Erleichterung auf.