Am Wochenende haben Menschen weltweit auf das Problem der Zwangsprostitution aufmerksam gemacht – auch in Stuttgart.

Gut 200 Menschen bewegen sich, vorwiegend schwarz gekleidet, durch die Innenstadt. Keine Parolen werden skandiert. Der achte Stuttgarter Walk for Freedom am Samstagnachmittag ist ein stiller, aber deutlicher Fingerzeig. Plakate verweisen auf das Anliegen: „Was, wenn es deine Schwester wäre?“, „Zwangsprostitution ist moderne Sklaverei“,“Nicht zu verkaufen“ – es geht um Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung.

 

An diesem Wochenende gehen weltweit Menschen auf die Straße, um den Opfern von Menschenhandel eine Stimme zu leihen. In Stuttgart haben die Vereine Kainos und Esther Ministries zur Teilnahme aufgerufen. Unter jenen, die sich am Schweigemarsch beteiligen, ist auch Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte.

Einblicke in das Leben Betroffener

„Das Problem des Menschenhandels hat viele Gesichter“, erklärt Mitorganisatorin Sarah Bässler. Ob auf Baustellen, in der häuslichen Pflege oder als Haushaltshilfe: Auch hierzulande arbeiten Menschen unter untragbaren Bedingungen. Oft seien sie nur ein paar Wochen an einem Ort und würden dann weitergeschleust, sagt Bässler, die sich für Opfer von Zwangs- und Armutsprostitution engagiert. Das erschwere Ermittlung und Nachverfolgung.

Sie berichtet von Einblicken in das Leben Betroffener, von Überwachung und aufrechterhaltener Abhängigkeit, von Frauen ohne soziales Umfeld, und von der Scheu, mit der Polizei in Verbindung zu treten, weil die Erfahrungen mit Ordnungshütern in den Herkunftsländern oft schlecht seien. „Wir wollen dafür sensibilisieren, dass Frauen nicht nur irgendwo in weiter Ferne sexuell ausgebeutet werden, sondern direkt nebenan“, so Bässler.

Zwangsprostitution auch in Stuttgart

Bei der abschließenden Versammlung am Infostand vor dem Rathaus besteht Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. „Menschenhandel ist das Kriminalitätsfeld, das weltweit am stärksten wächst“, benennt ein junger Mann seine Motivation, sich am Walk for Freedom zu beteiligen. Dass es auch in Stuttgart Zwangsprostitution gebe, finde er erschreckend.

Einer Statistik des EU-Projekts „German Integration Program for Survivors of Trafficking“ (GIPST) zufolge findet Prostitution in der Landeshauptstadt nur zu 17 Prozent in Bordellen statt. Privatwohnungen, die weit unauffälliger genutzt werden können, machen dagegen 51 Prozent aus.