Die städtische Galerie Bietigheim-Bissingen erinnert an den fulminanten expressionistischen Künstler Walter Ophey. Einst war er bekannt und geschätzt. Wie konnte er in Vergessenheit geraten?

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Bietigheim-Bissingen - Szenen aus dem Lazarett – zu Papier gebracht mit farbiger, leicht ausgeriebener Kreide? Die Apathie und Tristesse des Kriegsversehrtendaseins, dargestellt in leuchtenden Farben? Wer kommt auf so eine Idee? Walter Ophey kam darauf, ein Apologet der Farbe – und ein fast vergessener deutscher Künstler der klassischen Moderne. „Das kennt man sonst von niemandem“, meint Isabell Schenk-Weininger in anhaltender Faszination über die Kreide-Werkreihe aus dem Festungslazarett Culm, in dem der Soldat Ophey 1915 lag.

 

Die Ausstellung „Farbe bekennen!“ ist eine Hommage an einen Künstler, der zu seinen Lebzeiten weit über seine Heimat, das Rheinland, hinaus bekannt war und – etwa als Mitglied der Künstlergruppe „Sonderbund“ – Impulse setzte. Keine 50 Jahre wurde Ophey alt, musste immerhin nicht mehr miterleben, dass es in der Blut-und-Boden-Ästhetik der NS-Kunst keinen Platz mehr für sein Werk gab. Doch geriet es eben auch nach dem Krieg nahezu komplett in Vergessenheit. Bis der Düsseldorfer Kunstpalast, der Opheys Nachlass beheimatet, 2018 in einer großen, gefeierten Schau an sein künstlerisches Vermächtnis erinnerte.

Bagger, Kräne und Häuser mit Eigenleben

Warum das für Aufsehen sorgte, lässt sich in der in Bietigheim naturgemäß etwas kleiner als in Düsseldorf ausgefallenen, aber den künstlerischen Weg Opheys dennoch in vielen Facetten und mit eigenen Schwerpunkten ausleuchtenden Ausstellung allemal nachempfinden.

Zu entdecken ist ein Künstler, dessen charakteristische, energetisch aufgeladene und eigenwillige Handschrift sich bei unorthodoxen Motiven wie Sandbrüchen zeigt: Ophey malte spielende Kinder oder Reiter in leuchtend gelb-orange-ockerfarbenen Sandgruben. Sie zeigt sich, wenn er raumgreifend große, abstrakte Landschaften schafft oder latent beunruhigende Puppen- und Marionetten-Stillleben komponiert. Oder aber markante Stadt- und Industrielandschaften, in denen Häuser, Karussells, Bagger oder Kräne seltsame Eigenleben entwickeln.

„Ich werde eher einem ins Gesicht spucken, als dass ich Publikumsbilder male“

Souverän macht Ophey, von dem der Satz überliefert ist: „Ich werde eher einem ins Gesicht spucken, als dass ich Publikumsbilder male“, sein Ding. Auch, wenn er – von japanischen Farbholzschnitten inspiriert – radikal reduzierte Kreide-Landschaften komponiert oder Sakralräume gestaltet wie denjenigen der katholischen Kirche der Heilanstalt Eickelborn bei Lippstadt: das Kirchenschiff seegrün mit blauen Einteilungen, die Decke orange, gelb und ocker, die Apsis ultramarin.

Den Verlust des heiß geliebten, einzigen Sohnes, der mit vier Jahren an einer Gehirnhautentzündung starb, verwand Ophey kaum. Er überlebte das Kind nur um sechs Jahre und starb 1930 an Herzversagen. Seine Witwe Bernhardine gab seinen Nachlass 1954 an die Stadt Düsseldorf. Sie erhielt dafür eine Leibrente.

„In einer Zeit, als die Künstlergruppe Brücke noch um Anerkennung kämpfen musste, war Walter Ophey schon enorm modern“, sagt Isabell Schenk-Weininger. „Die klassische Moderne war so vielfältig. Es ist einfach nicht richtig, dass manche Künstler heute in der zweiten oder dritten Reihe stehen.“ Bis zum 10. Mai will die Bietigheimer Galerie ihr Scherflein dazu beitragen, dass Walter Ophey in die erste Reihe zurückrückt.