Grüne Zähne und gelbe Tänze: Bietigheim-Bissingen entdeckt den Expressionisten Walter Ophey wieder.

Stuttgart - Kurz hinter Düsseldorf beginnt die Sahara. Grelles Weiß und Wüstengelb lassen die Sandsteinbrüche bei Ratingen wie ein nordafrikanisches Naturereignis aussehen. Geografische Korrektheit interessierte Walter Ophey nicht. Zu Lebzeiten wurde der Farbenthusiast und Landschaftsverwandler in einem Atemzug mit August Macke genannt, doch als nach 1945 die Renaissance des Expressionismus einsetzte, erinnerte sich plötzlich niemand mehr an den Wahlrheinländer aus dem belgischen Eupen. Erst jetzt, wo selbst die drittklassigsten Werke von Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und anderen Stars kaum noch ausreichen, um den Heißhunger auf expressionistische Kunst zu stillen, beschäftigt man sich wieder mit ihm. Auch auf die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen ist der Funke von Opheys koloristischer Glut übergesprungen. „Farbe bekennen!“ heißt die Schau, die über hundert Werke des Künstlers aus dem Düsseldorfer Kunstpalast und weiteren Sammlungen vereint.

 

Er hat mit vielen Bildsprachen der Moderne experimentiert. An der flirrenden Fleckenmalerei der Neoimpressionisten schulte sich Ophey ebenso wie an den eingekerbten Linien Vincent van Goghs. Doch letztlich war all das nur Ansporn, nach etwas Neuem zu suchen, brennenderen Farben und anderen Räumen. Räumen, die so eine einladende Unwirklichkeit entwickeln wie die „Parklandschaft mit Anthurien“.

Safrangelbe Taggespenster

Fernab der expressionistischen Epizentren Dresden und München gelangte Ophey, wenn auch etwas später als andere, zu einer eigenen Variante der Ausdruckskunst, bei der die Leuchtkraft der Palette und die subjektive Farblaune die natürliche Lichtstimmung ersetzen. Im feurig durchwirkten Grün der Landschaften spielt es irgendwann keine Rolle mehr, ob das Bild die rheinländische Heimat zeigt oder den Süden Italiens, das bevorzugte Ziel von Opheys Studienreisen. Die „Herbstphantasie“ von 1912 schließlich durchstößt die Schallmauer zur Abstraktion und überlässt dem Betrachter die Entscheidung, was da so ekstatisch vor dem unruhigen Himmel tanzt. Verwachsene Bäume, fallende Blätter oder safrangelbe Taggespenster.

Besonders im Porträt erweist sich die radikale Unabhängigkeit der Farbe mitunter als wenig vorteilhaft für die Dargestellten. Frau Esser zum Beispiel, die um 1912 bei Ophey Modell saß, bleckt dem Betrachter grüne Zähne entgegen. Als Trost für Frau Esser sei gesagt: Die eigene Physiognomie verfremdete der Künstler noch viel kompromissloser, wie das Selbstporträt im Stil einer afrikanischen Steinfigur beweist. Im Unterschied zu den Vertretern des Dresdener Expressionistenkollektivs der Brücke hat Ophey seine Ästhetik nie am Leitmedium des Holzschnitts ausgerichtet. So begegnen in Bietigheim keine splittrig-spitzwinkligen Linienkonstrukte, sondern Rundliches und Wellig-Fließendes. Doch auch wachsweich verbogene Häuser und Horizontlinien, die sich bis zum Bersten krümmen, bringen innere Spannung in die Bilder. Trotzdem schmeckt man noch bis in Opheys letztes Lebensjahrzent (er starb 1930) den dekorativen Zucker von Jugendstil und Japonismus durch. Deswegen sollte man vor dem typischen Affekt der Kunstgeschichte warnen, jemanden zu überschätzen, nur weil er jahrzehntelang unterschätzt wurde. Aber für eine Abwechslung im üblichen expressionistischen Ausstellungseinerlei sorgt Ophey auf alle Fälle.

Bis 10. Mai, Di–Fr 14–18, Do 20, Sa und So 11–18 Uhr.