Viele Menschen machen in diesem Jahr Urlaub in Deutschland. Doch wie werden die Corona-Regeln in den Wanderregionen eingehalten? Und wie sieht es auf den Gipfeln aus? Eine persönliche Erkundung im Allgäu und dem Chiemgau.

Oberstaufen - Den Ausschlag haben die Hängematten gegeben, die in gebührendem Abstand zueinander im Wald hängen. So verspricht es der Newsletter des Lieblingshotels im Allgäu. Einmal zwischen den Bäumen schaukeln, eine sanfte Brise um die Nase – wenn das nicht verlockend ist. Ganz ohne Einkaufsliste im Kopf, ohne selbst kochen zu müssen. In dieser Zeit scheint das besonders wertvoll.

 

Im Fernsehen wird das Urlaubsleben auf einem Campingplatz am Bodensee gezeigt: Eine Frau aus Schwaben, die im Vorzelt Spätzle in den dampfenden Kochtopf presst – „Mein Mann hat sie sich gewünscht“. Sie sagen etwas von der „Freiheit“ der Camper. Urlaub auf dem Campingplatz in diesem Sommer? Keinesfalls. Stattdessen lieber im Hotel. Vier Sterne hat das Hotel in einem Seitental von Oberstaufen, in dem wir schließlich vier Tage buchen. Dazu drei weitere im Chiemgau, schon vor Corona geplant. Lieber kurz und komfortabel als lang und lausig, so lautet die Devise. Wer schulpflichtige Kinder hat, mag das anders sehen.

Die Corona-Regeln werden schon beim Check-In ausgehändigt

Ins weiß-blaue Abenteuer geht es Mitte Juli mit einer Kollektion an Masken – aber auch mit gehörigem Respekt. Wie wird alles organisiert sein? Auf den Hütten, bei den Bergbahnen? Schon beim Check-in im Hotel werden die Regeln überreicht, ein eng bedrucktes DIN-A4-Blatt. Die Regeln für Bad und Sauna sind am umfangreichsten. „Danke fürs Mitmachen“ steht darunter. Die wichtigsten Grundregeln: 1,5 Meter Abstand von anderen, häufige Händehygiene. Maskenpflicht in allen öffentlichen Bereichen des Hotels außer am Tisch sowie im Hotelzimmer. Vor dem Restaurant, auf der Terrasse und im Biergarten bitte warten, bis ein Tisch zugeteilt wird. Zum Büfett nur mit Einweghandschuhen.

Die liegen bereits am Essplatz bereit: Plastikhandschuhe in Einheitsgröße. Fürs Personal gibt es viel zu tun: ständig desinfizieren, weite Wege, Maskenpflicht. Die Tische wurden weiträumig verteilt, bei gutem Wetter wird auch auf den Terrassen eingedeckt. Selbst die Leseecke des Hotels ist zum Essplatz geworden. Vorspeisen und Salate können sich die Gäste am Büfett holen, mit Abstand und nur in einer Richtung. Wer Kantinenerfahrung besitzt, ist im Vorteil.

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Dennoch passieren Fehler – aus Schusseligkeit. Zum Beispiel, wenn man im Biergarten mit dem Kellner spricht, die Maske bereits abgesetzt. Der Kollege rügt sofort. Hier in Bayern werden die Regeln akribisch eingehalten und überwacht, so scheint es. Angesichts der täglichen Meldungen ist das auch gut. Manche Menschen allerdings bringen die Geduld nicht auf, einen Moment zu warten – und setzten sich an noch benutzte, nicht desinfizierte Tische. Andere glauben, sich nicht an Regeln halten zu müssen – und halten nur zehn Zentimeter Abstand, um neben einem die Sitzkissen aus der Truhe zu greifen. Zum Glück sind das nur wenige.

An den Highlight drängen sich mitunter die Menschen

Wandern jedenfalls ist perfekt. Die Gondelbahn am Hündle ist nur schwach besucht, hier gibt es keine Kollisionen. Und bei der Sommerrodelbahn – nur mit Maske! – hält man sowieso Abstand. Sonntags allerdings bildet sich vor der Hochgrat-Bahn eine lange Schlange, brav mit Abständen von 1,5 Meter. In jede der gelben Gondeln passen nur zwei oder eine schmale Vierergruppe. Auf dem Gipfel aber, eine halbe Stunde Fußweg von der Bergstation entfernt, herrscht Gedränge. Nebenan versuchen einige dreiste Leute die Kühe zu streicheln und Selfies zu machen. Am Seelekopf wird es luftiger. Der Weg dorthin ist auch länger, steil und steinig.

Gute Lösungen haben die Almen und Hütten gefunden: Ein Durchguck zum Bestellen, ein anderer zum Abholen der Speisen. Und draußen ist genug Platz zum Sitzen.

Leicht erreichbare Highlights jedenfalls sind selbst in den Bergen zu meiden, auch am Alpsee herrscht ab der Mittagszeit dichtes Treiben. Im Wasser scheint die Gefahr, von ungeübten Surfern angefahren zu werden, größer als das Infektionsrisiko.

Das Maske-Aufsetzen ist zur Gewohnheit geworden

Über München geht es weiter in den Chiemgau, Einchecken in Reit im Winkl. Das Hotel ist mit seinen 74 Zimmern rund dreimal so groß wie jenes bei Oberstaufen. Ein geräumiges Foyer voller Wegweiser, die Rezeptionistinnen sitzen auf großem Abstand hinter der Trennwand mit Durchreiche – zum kontaktlosen Ablegen von Meldeschein und Karte. Maskenpflicht im gesamten Hotel, Desinfektionsspender überall. Keine schriftlichen Regeln beim Empfang, aber im Haus wurde akribisch plakatiert: Aufzug nur einzeln oder im gleichen Haushalt, zentraler Zugang zum Restaurant. Und der Wellnessbereich kann nur in einer Richtung benutzt werden, was zu einer labyrinthischen Suche nach dem Ausgang im Keller führt. Jede Rückkehr ins Zimmer bedeutet dafür ein Aufatmen, der Balkon ist so breit und groß, dass selbst Qigong-Übungen problemlos möglich sind.

Fazit nach einer Woche: Wandern und Bergluft sind wunderbar. Das Maskenaufsetzen beim Schritt aus dem Zimmer ist so zur Gewohnheit geworden, dass man sich zurück zu Hause fast nackt fühlt, sobald man die Wohnung verlässt – ohne Maske.