Die Neuigkeit überraschte sogar die Verteidiger - die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe hat ihnen von einem Tag auf den anderen das Vertrauen entzogen. Jetzt ist erst einmal offen, wie das Gericht weitermacht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Neuigkeit überraschte sogar die Verteidiger - die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe hat ihnen von einem Tag auf den anderen das Vertrauen entzogen. Jetzt ist erst einmal offen, wie das Gericht weitermacht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

 

München - Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, hat das Verfahren ins Wanken gebracht. Sie will überraschend ihre Anwälte auswechseln. Bis zum Wochenende sollen Zschäpe und ihre Verteidiger dem Münchner Oberlandesgericht erklären, wie es um ihr Vertrauensverhältnis bestellt ist. Noch ist unklar, wie es jetzt weitergeht und welche Motive die Angeklagte zu ihrer Entscheidung brachten.

Warum hat Zschäpe das Vertrauen zu ihren Anwälten verloren?

Bisher gibt es nur Mutmaßungen. Aber gemunkelt wird, dass sie der Schweigestrategie ihrer Anwälte zumindest nicht mehr so konsequent folgen will wie bisher. Sie hat an allen bislang 128 Verhandlungstagen keine einzige Frage beantwortet und keine Aussage gemacht. Es soll aber Themen geben, zu denen sie reden möchte.

Welche?

Das könnten etwa solche sein, bei denen ihr Schweigen sie menschlich besonders schlecht aussehen lassen könnte. So hat sich das Gericht mehrere Tage mit dem Schicksal ihrer betagten Wohnungsnachbarin in Zwickau beschäftigt. Die Seniorin geriet in Gefahr und musste gerettet werden, nachdem Zschäpe die Fluchtwohnung des Trios nebenan in Brand gesteckt hatte.

Gab es schon früher Hinweise, dass sie ihren Anwälten misstraut?

Ja. Vor einem Jahr haben Ermittler des Bundeskriminalamts im Prozess als Zeugen ausgesagt. Sie hatten Zschäpe auf Transporten begleitet, wenige Monate nachdem sie sich im November 2011 der Polizei gestellt hatte. Unterwegs habe sich Zschäpe auf Gespräche eingelassen, und zwar auch über ihre Anwälte. „Das Vertrauensverhältnis hat zu dem Zeitpunkt nicht bestanden, das hat sie uns klargemacht“, sagte der Ermittler vor Gericht. „Und wir haben wohl auch gesagt, es gibt Anwälte, die sagen den Mandanten, sie sollen aussagen.“ Damals wurde Zschäpe bereits von Wolfgang Heer vertreten, der bis heute zu ihrem Verteidigerteam gehört.

Warum kann Zschäpe sich nicht einfach von ihren Anwälten trennen?

Weil es vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger sind, die auch nur von den Richtern entpflichtet werden können. Das werden sie aber nur dann tun, wenn sie von den Gründen überzeugt sind, die Zschäpe nennt. Bis Donnerstagnachmittag musste sie das schriftlich erledigt haben.

Wie geht es dann weiter?

Das Gericht schickt Zschäpes Erklärung ihren drei Anwälten, die dann ihrerseits darlegen müssen, ob sie Zschäpe noch verteidigen können oder wollen. Die Richter würden sich dann übers Wochenende beraten, heißt es bei der Münchner Justiz. Bis zum kommenden Dienstag müssen sie eine Entscheidung treffen, denn dann geht der Prozess weiter.

Wie könnte die Entscheidung aussehen?

Denkbar ist, dass das Gericht die Anwälte in ihrer Funktion belässt und Zschäpe mit ihnen vorlieb nehmen muss. Möglich ist aber auch, dass die Richter alle drei oder auch nur einen oder zwei von ihnen entlassen.

Gab es das schon, dass Pflichtverteidiger im Amt gelassen wurden?

Ja, beim ersten Prozess gegen die Terroristen der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) 1975. Da hatte das Gericht den Wahlverteidigern zusätzliche Pflichtverteidiger beigestellt und es dabei auch nach heftigen Tumulten belassen. Die Angeklagten Andreas Baader und Gudrun Ensslin riefen ihrem Pflichtverteidiger „Halt’s Maul“ zu, wenn er etwas sagen wollte. Horst Mahler wollte seinem Anwalt gar eine Ohrfeige verpassen, die dann versehentlich aber einen der beisitzenden Richter traf.

Wie geht es mit dem NSU-Prozess jetzt weiter?

Wenn das Gericht neue Verteidiger bestellt, könnte der Prozess im schlimmsten Fall platzen und müsste von vorn begonnen werden. Denn neue Verteidiger müssten sich in die mit rund 380 000 Seiten extrem umfangreiche Akte einarbeiten - und müssten das in nur 30 Tagen schaffen, denn länger darf ein Strafprozess nicht unterbrochen werden. Das wäre wohl kaum zu schaffen. Außerdem hätten die neuen Verteidiger keinen der bisherigen Zeugen gehört oder selber befragen können.

Und wenn das Gericht die Verteidiger im Amt belässt?

Dann wäre auch das riskant. Nach Ansicht von Juristen könnten Revisionsgründe entstehen, mit denen das Urteil später aufgehoben werden könnte. Auch dann müsste von vorn verhandelt werden.