Vergessen Sie Sheldon Cooper und Leonard Hofstadter! Der „The Big Bang Theory“-Erfinder Chuck Lorre lässt in „The Kominsky Method“ Alan Arkin und Michael Douglas aufeinander los und erzählt eine wunderbare Tragikomödie über geplatzte Showbiz-Träume, komplizierte Familienbande und Prostatabeschwerden.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Kaum hat sich Sandy Kominsky einen Jack Daniels on the Rocks und eine Diät-Limo mit Strohhalm bestellt, kommt er zur Sache: „Na, wie läuft’s mit der Sitcom?“ „Vergiss es, du willst doch nicht wirklich in einer Sitcom mitspielen“, antwortet sein Schauspielagent Norman Newlander. „Wovon redest du?“, echauffiert sich Kominsky, „die kleine Wichte aus diesem Big-Bang-Quatsch machen doch Millionen Kröten die Woche!“ „Sandy, das ist doch bloß so ein Einheitsbrei, das ist Mist, du dagegen bist eine altehrwürdige Schauspiel-Institution. Es wäre doch peinlich, wenn du in so einer Sitcom mitspielen würdest.“ „Ich habe die Rolle also nicht gekriegt?“ „So ist es.“

 

Chuck Lorre kann auch anders

Bevor es hier weiter um die schauspielerischen Großtaten geht, die Michael Douglas als Sandy Kominsky und Alan Arkin als Norman Newlander in der Serie „The Kominsky Method“ vollbringen, soll es kurz um einen anderen Mann gehen, der sich ebenfalls eine Lobeshymne verdient hat: Chuck Lorre hat TV-Zuschauern auf der ganzen Welt mit Comedyserien wie „Dharma & Greg“, „Two and a Half Men“ und – ja, genau! – „The Big Bang Theory“ das Lachen beigebracht, kennt sich aus mit seltsam-verrückten Paaren, die mal Sheldon und Leonard, mal Mike und Molly und mal, wie hier, Sandy und Norman heißen.

Wenn dieser König der Sitcom Michael Douglas und Alan Arkin in einer Serie aufeinander loslässt, besteht aber tatsächlich Anlass zur Beunruhigung. Das Lieblingsformat von Chuck Lorre war bisher die auf einer Studiobühne vor Live-Publikum mit mehreren Kameras aufgezeichnete Sitcom, die pausenlos Pointen und Lacher produzieren muss. Will man wirklich den 74-jährigen Douglas und der 84-jährigen Arkin in so einem billig-schnellen TV-Comedyformat erleben? Müssen diese beiden Schauspiellegenden jetzt tatsächlich als Gaglieferanten für eine Senioren-Sitcom herhalten? Nein, müssen sie nicht. Zum Glück haben sich Chuck Lorre und der Streamingdienst Netflix, der „The Kominsky Method“ von diesem Freitag an zeigt, für die beiden ein ganz anderes Format ausgedacht. Sie machen sie zu den traurig-komischen Helden einer hochwertigen Dramedy-Serie, die vom Älterwerden, von enttäuschten Hoffnungen, von gescheiterten Lebensentwürfen und von schmerzlichen Verlusten erzählt – in den Tragödien des Lebens aber immer auch das Lächerliche entdeckt und wunderbar selbstironisch mit dem Komödiengenre spielt.

Wie einst Walter Matthau und Jack Lemon

Michael Douglas und Alan Arkin erweisen sich dabei nicht als gealterte Version von Sheldon Cooper und Leonard Hofstadter, sondern erinnern in ihrer verdrießlich-spöttischen und doch herzlichen Zuneigung zueinander an das verrückte Paar, das Walter Matthau und Jack Lemon waren oder das Jane Fonda und Lily Tomlin zurzeit in der Serie „Grace and Frankie“ sind. Obwohl sich Netflix zuletzt besonders ums junge Publikum kümmerte, zahlreiche Coming-of-Age-Serien in sein Programm nahm, hat der Streamdienst offenbar auch ein Herz für Bestager.

Und während andere Hollywoodstars TV-Serien gerade erst entdecken, weil hier interessantere Geschichten als im Kino erzählt werden, sind Arkin und Douglas schon solange im Geschäft, dass für sie „The Kominsky Method“ kein Seriendebüt, sondern ein Comeback ist. Bevor Arkin 1970 mit dem Antikriegsfilm „Catch 22“ berühmt wurde, war er bereits Larry in der „Sesamstraße“. Und die Karriere von Douglas begann 1972 mit der Krimiserie „Die Straßen von San Francisco“.

Der Gott der Shampoo-Werbespots

Das Aufeinandertreffen dieser beiden mürrischen alter Männer ist jedenfalls ein Glücksfall fürs Fernsehen. Arkin spielt den verbittert-sarkastischen Agenten Norman Newlander, den seine Frau dazu genötigt hat, bei ihrer Beerdigung die obszöne Disco-Funk-Nummer „Lady Marmelade“ zu spielen. Douglas ist Sandy Kominsky, der mal von einer großen Schauspielkarriere geträumt hat, jetzt aber nur noch mit Unterricht Geld verdient; ein zottelig-trauriger Mann, der zwar davon schwärmt, dass jeder Schauspieler eigentlich Gott ist, weil er eigene Welten erschaffen, den Tod, das Leben und die Liebe kreieren kann, dessen Schüler sich aber viel mehr für die Sorte Tipp interessieren, die ihnen dabei hilft, einen Part in einem Shampoo-Werbespot zu bekommen.

Die acht 30-minütigen Folgen von „The Kominsky Method“ sind von Freitag, 16. November, an bei Netflix verfügbar.