Die TV-Serie „Das Boot“ setzt Wolfgang Petersens Kriegsfilm aus dem Jahr 1981 fort, weitet die Geschichte zu einem zeitgeschichtlichen Panorama aus und rettet ein spektakulär untergetauchtes Kinoungetüm ins goldene Zeitalter der TV-Serien herüber. Am Freitag, 3. Januar, feiert die Sky-Produktion Free-TV-Premiere im ZDF.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

München - Der Krieg ist eine Bestie, die im Jahr 1942 überall auf der Welt ihr hässliches Gesicht zeigt. Nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern zum Beispiel auch in der französischen Küstenstadt La Rochelle. Während die Résistance gegen die deutschen Besatzer kämpft und die Gestapo mit äußerster Brutalität zurückschlägt, treibt es die hier stationierten Soldaten scharenweise ins Bordell „Cheval blanc“, weil sie sich hier noch ein letztes Mal am Leben fühlen wollen, bevor sie auf große Feindfahrt gehen.

 

Doch von all dem scheint Simone Strasser überhaupt nichts mitzubekommen. Sie ist gerade in La Rochelle angekommen – eine neugierige junge Deutsch-Französin, die für die Nazis als Übersetzerin arbeiten soll und überglücklich ist, ihren Bruder Frank treffen zu können, der Funker auf einem der U-Boote ist. Als er sie herumführt, kommt sie aus dem kindlichen Staunen gar nicht heraus: „Wie ist das eigentlich so auf einem U-Boot?“, fragt sie aufgeregt. Doch er antwortet nur genervt: „40 Kerle, keine Dusche, ein Scheißhaus – willst du’s genauer wissen?“

Eine spektakuläre Serienfortsetzung

Wer Wolfgang Petersens Film „Das Boot“ aus dem Jahr 1981 kennt, weiß, was gemeint ist. „Das Boot“ war damals ein deutsches Kinowunder. Für sechs Oscars war der Film nominiert, der die Geschichte der Besatzung eines deutschen U-Boots erzählt, das sich im Winter des Jahres 1941 auf Feindfahrt im Atlantik befindet. Noch heute sorgt das Ping des Sonars, an dem sich die düster-atmosphärische Filmmusik Klaus Doldingers abarbeitete, für Gänsehaut-Momente. Wie Jost Vacano, der sich gerade vor Gericht einen finanziellen Nachschlag für seine Beteiligung an „Das Boot“ erstritten hat, mit seiner Kamera durchs U-Boot hetzte, ist immer noch sensationell. Und die Schauspieler Jürgen Prochnow, Herbert Grönemeyer, Martin Semmelrogge oder Uwe Ochsenknecht waren nie besser als damals, als sie sich von Wolfgang Petersen in diese Unterwasserblechdose zwängen ließen.

Der Bezahlsender Sky hat diesem U-Boot-Drama 2018  eine sensationelle Fortsetzung beschert – diesmal nicht als Spielfilm, sondern als TV-Serie. Und von Freitag an ist die Serie erstmals im Free-TV zu sehen – beim ZDF. Andreas Prochaska und seine Drehbuchautoren Tony Saint und Johannes W. Betz werden wie in Petersens Film auf engsten Raum die größtmögliche dramatische Wucht entwickeln. Sie werden aber in den insgesamt acht Episoden der Serie, die in La Rochelle, Prag, Malta und München gedreht wurden, auch klar machen, dass sie weit mehr wollen, als eine Art Remake eines deutschen Filmklassikers abzuliefern. Denn die Serie begnügt sich nicht mit Innenansichten aus dem U-Boot, sondern zeigt die gesellschaftlichen Zusammenhänge, erzählt schicksalhafte Dramen aus dem besetzen Frankreich Anfang der 1940er Jahre – da tummeln sich verzweifelte Widerstandkämpferinnen, verliebte Gestapo-Männer, jüdische Bardamen, amerikanische Kriegsgewinnler und Geschwister, die zwischen die Nazis und die Résistance geraten.

Vor der großen Feindfahrt geht’s ins „Cheval blanc“

Die Geschichte spielt ein Jahr nach jener, die der Film „Das Boot“ erzählte: Ein anderes U-Boot, die U 612, wird in La Rochelle im Herbst 1942 auf die große Feindfahrt vorbereitet. Es ist das erste Kommando von Kapitänleutnant Klaus Hoffmann (Rick Okon). An Bord befindet sich auch der Funker Frank Strasser (Leonard Schleicher), der Jazz liebt und eine heimliche Beziehung hat, von der er nicht einmal seiner Schwester Simone (Vicky Krieps) erzählt.

Simone wiederum arbeitet für die Nazis, wird vom frankophilen Gestapo-Chef Hagen Forster (Tom Wlaschiha) ebenso umworben wie von der Amerikanerin Carla Monroe (Lizzy Caplan), die im spanischen Bürgerkrieg gekämpft hat und nun eine französische Widerstandsgruppe anführt. Und während der Herr Kaleun vor dem Auslaufen der U 612 noch im Buch seines berühmten Vaters Wilhelm Hoffmann schmökert („Fürchte nicht die Tiefe“), vergnügt sich seine Mannschaft ein letztes Mal im „Cheval blanc“.

Ein zeitgeschichtliches Panorama

Danach werden sich die Handlungsstränge trennen, einer spielt auf offener See, der andere in La Rochelle. Die Geschichte beruht nicht nur auf Motiven aus Lothar-Günther Buchheims Roman „Das Boot“, sondern zudem aus dem Buch „Die Festung“, in dem Buchheim auch die aufkeimende Résistance und den Krieg an Land thematisierte. Die Geschichte weitet sich dadurch zu einem zeitgeschichtlichen Panorama aus, und Bavaria Fiction, Sky Deutschland und Sonar Entertainment retten so ein vor vielen Jahren spektakulär untergetauchtes Kinoungetüm ins goldene Zeitalter der TV-Serien herüber.

Gleich zu Beginn, noch bevor das erste Mal die um Doldingers berühmtes Synthesizer-Motiv kreisende Titelmusik zu hören ist, überrumpelt einen die Serie mit einem erschütternden zehnminütigen Vorspiel, führt einem das ganze U-Boot-Drama in einer Art drastischem Schnelldurchlauf vor: Eben noch sind die Männer durch das U-Boot gehetzt, haben alle Luken geschlossen, sich Befehle zugebrüllt, sind auf 120 Meter abgetaucht, um sich vor dem feindlichen Flugzeug zu verstecken.

Auf dem Boden des Atlantik

Doch jetzt herrscht atemlose Stille. Bärtige Männer drängen sich in rotes Licht getaucht stumm und mit aufgerissenen Augen auf der Brücke. Der Metallrumpf ächzt. „Schleichfahrt“, raunzt der Wachoffizier. Kommandos werden geflüstert. Ping. Dann noch mal Ping. Dann Ping, Ping, Ping. „Wasserbomben, Dutzende“, krächzt der Mann am Sonar. Es rumpelt, es wackelt, Wasser spritzt, Männer schreien, die Nadel des Tiefenmessers ist am Anschlag. Einer betet. Einer holt ein Foto hervor. Einer jagt sich eine Kugel in den Kopf. Und während das U-Boot auf den Boden des Atlantiks sinkt, unterhalten sich oben auf dem britischen Zerstörer zwei Englänger: „Arme Schweine!“, sagt der eine. „Lieber die da unten tot als wir“, der andere.

Das ZDF zeigt die Serie „Das Boot“ von Freitag, 3. Januar, an an vier aufeinanderfolgenden Tagen jeweils in Doppelfolgen. Am Freitag geht es um 20.15 Uhr los, am Samstag um 22 Uhr, am Sonntag und Montag um 22.15 Uhr.