Nicht das Chaos regiert Sarah, sondern sie regiert das Chaos. Für die 25-Jährige gibt es kein Regelwerk für das Leben – ähnlich ist es mit der Mode. In unserem Streetstyle verrät sie, warum man häufiger im Hier und Jetzt leben sollte, statt immer einem Plan zu folgen.

Stadtkind: Laura Müller-Sixer (six)

Stuttgart – „Um uns herum ist alles so laut, wir hören so selten mal in uns hinein.“ Sarah hat sich das getraut, worüber wohl viele Studenten heimlich nachdenken. Nach zwei Jahren schmiss sie ihr Studium und bewies damit Mut zur Lücke im Lebenslauf. „Ich will niemandem raten aufzuhören, wenn studieren keinen Spaß mehr macht. Das ist ja Schwachsinn. Aber wenn die Balance nicht stimmt und du zu 90 Prozent unzufrieden bist, erfüllt es dich eben nicht mehr. Irgendwann hat es dann Klick gemacht und ich wusste, dass es vorbei ist.“

 

Der Moment zählt

Auf Modetrends der Fashionindustrie lege sie keinen Wert. Dennoch versuchte sich die 25-Jährige in der Vergangenheit schon oft auf einen Stil festzulegen – allerdings ohne Erfolg: „Ich höre Metal, also habe ich früher nur schwarze Kleidung getragen. Eine Jeans mit weißem T-Shirt war mir zu normal. Aber mal ehrlich, was ist an einer schwarzen Hose denn besonders? Heute trage ich einfach das, worauf ich in diesem Moment Bock habe.“ So regiert Sarah nicht nur über ihr eigenes, kleines Chaos im Kleiderschrank, sondern verfolgt auch einen ganz einfachen Grundsatz: nämlich den, einfach mal im Hier und Jetzt zu leben. „Manche Teile in meinem Schrank schaue ich an und habe keine Ahnung, wie ich sie jemals kombinieren soll. Aber irgendwann kommt der Tag, dann gehst du mit genau diesen Klamotten spontan vor die Tür, weil der Moment einfach passt.“

Geredet und geurteilt wird immer

Unangenehm findet sie die Fragen nach ihren Tattoos an Armen, Rücken und Co. „Ich hasse es, wenn mich Leute ständig auffordern, ihnen meine Tattoos zu zeigen. Du wirst immer so in eine Ecke gestellt. Die denken halt, wer tätowiert ist, will ja eh nur Aufmerksamkeit. Aber das ist nicht so. Zumindest bei mir nicht.“ Für Sarah gehört die Farbe der Tinte einfach zu ihrer Haut und ihrem Körper dazu.

„Als ich im Sommer mal eine kurze Hose anhatte, kam ein fremder Typ und hat mir in die Kniekehle gefasst. Seine Begründung war, dass er ja noch nie ein Tattoo an dieser Stelle gesehen hätte. Geht’s noch? Jetzt mal ehrlich, ich fasse ja auch niemandem einfach ins Gesicht, weil er so eine tolle Nase hat.“

Die Schublade wieder aufmachen

Sarah weiß, geredet und geurteilt wird immer. Da ist Stuttgart keine Ausnahme. Auch sie findet sich oft in der ein oder anderen Schublade wieder: „Ich finde es ist wichtig, dass wir anderen die Möglichkeit geben wieder aus der Schublade herauszukommen.“ Was ihr im Kessel deshalb besonders gut gefällt, ist der Wandel der Subkultur: „Wenn du hier ein paar Jahre wohnst, kennst du die Leute halt. Und mittlerweile ist es so, dass sich Menschen aus den unterschiedlichsten Sparten zusammenfinden. Also der krasseste Techno-Mensch und der größte Hip-Hop-Fan ever treffen sich beim Feiern, sitzen an einem Tisch und trinken ihr Bierchen. Das war früher nicht so, tut Stuttgart aber echt gut.“ Trotzdem zieht es Sarah nach 25 Jahren dann doch so langsam aus dem Ländle. Köln, Hamburg – wohin steht noch nicht fest. Doch wie fast immer wird auch das der richtige Moment entscheiden.