Zuhause gibt es keine Kantine, dafür eine hungrige Familie. Die Freundinnen Nina und Andrea aus Böblingen kochen während des Lockdowns abwechselnd, um Zeit zu sparen. Ihre Kinder fragen schon morgens: „Wer kocht denn heute?“

Böblingen - Auf dem Herd blubbert und dampft es gleich aus drei Töpfen. In der offenen Wohnküche duftet es verführerisch - nach Soße und Kraut. Nina, die wie Andrea, ihren Nachnamen für sich behalten möchte, steht heute hinter dem Herd und rührt noch einmal die Soße im Topf mit den Rouladen um. In einer Stunde hat sie das nächste Online-Meeting, davor gibt es noch einiges im Homeoffice zu erledigen. Die Rouladen hat sie morgens gemacht und aufgesetzt. Eigentlich hat die Teamleiterin, die im Finanzbereich eines Energieversorgers arbeitet, gerade wenig Zeit zum Kochen.

 

Hunger hat sie aber trotzdem. Und außerdem ist da noch ihr Sohn, der während der Corona-Einschränkungen auch wieder öfter Zuhause isst. Seit Anfang März letzten Jahres ist die Rheinländerin im Homeoffice in Böblingen. Anfangs haben sich Mutter und Sohn öfter noch etwas zum Essen geholt. „Das kostet Zeit und ist auf Dauer teuer“, erklärt Nina, während sie zwei Rouladen mit Soße in eine Plastikbox packt. Dazu kommt noch eine Schüssel mit Kartoffelbrei und eine mit Rotkraut. Ganz oben auf dem Schüsselberg thront eine kleine Dose mit frischer Ananas. Nina fährt fort: „Lieferdienste sind über einen längeren Zeitraum ebenfalls nicht bezahlbar und entsprechen nicht immer den eigenen Ansprüchen, was Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität angeht.“ Fertiggerichte seien ebenfalls keine Alternative.

Da klingelt es an der Tür. Die Dosen mit dem frisch gekochten Mittagessen wandern noch schnell in eine Tasche. Nina öffnet die Tür. Davor steht ihre Freundin und sagt: „Ich bin schon gespannt auf deine Rouladen.“ Mit dem fertigen Essen eilt die Nachbarin kurz danach zurück in ihr eigenes Homeoffice, das nur ein paar Schritte um die Ecke liegt. Ihre Tochter ist die meiste Zeit im Homeschooling und wartet schon. Um Zeit zu sparen, kochen die beiden Frauen seit ein paar Wochen im Wechsel. Und die Kinder fragen schon morgens: „Wer kocht denn heute?“

„Beim Kochen wechseln wir uns zwar nicht jeden Tag ab, aber schon zwei-, dreimal pro Woche“, sagt Nina über das perfekte Arrangement. Seitdem haben beide auch wieder Spaß am Herd zu stehen. Um das Ganze noch abwechslungsreicher zu gestalten, haben sie Themenwochen eingeführt. Letzte Woche gab es Gerichte aus den 80er Jahren, wie Hühnerfrikassee und Hackbraten. „Wir hatten auch schon eine asiatische Woche und gerade gibt es Hausmannskost“, erklärt Nina lachend.

Das Motto gehört inzwischen einfach zu der Aktion dazu, die den beiden das Leben in der Pandemie etwas leichter macht. „Wir überlegen inzwischen schon beim regelmäßigen gemeinsamen Spaziergang, was wir als nächstes machen können“, witzelt die Teamleiterin. Beim Spazierengehen hat auch alles angefangen: Da hat Nina ihrer Nachbarin eines Tages erzählt, dass es bei ihnen heute Curry gibt, von dem sie viel zu viel gekocht habe. Ein Teil davon wurde eingepackt und kam bei Andrea auf den Mittagstisch.

Die Freundin revanchierte sich mit Erbsensuppe. Beide haben ganz ähnliche Vorstellungen, was die Zubereitung anbelangt und legen Wert darauf, dass das Fleisch ihrer Gerichte vom Metzger kommt. Das Gemüse holen sie am liebsten auf dem Markt.

Inzwischen sitzt Nina an ihrer Küchentheke, vor ihr die Roulade nach Rheinländer Art, mit Speck, Gurke und Senf. Ihr Handy zeigt eine eingegangene Nachricht an – von ihrer Freundin Andrea: „Ein Traum, deine Rouladen“. – „Dein Wirsing vor zwei Tagen war auch sehr lecker“, schmunzelt Nina und freut sich über das Kompliment.

Kochen liegt dank Corona wieder voll im Trend, die Deutschen schwingen wieder regelmäßig die Rührlöffel. Das ergab eine repräsentative Studie des Marktforschungsinstituts Kantar und auch der Ernährungsreport 2020 des Bundes bestätigt dieses Ergebnis. Rund ums Essen gibt es zahlreiche Trends, beispielsweise das Meal-Sharing, wo man für unbekannte Gäste kocht, oder das Food-Sharing: Über eine App teilt man sich Speisen und Selbstgemachtes. Vielleicht kommt auch das „Koch-Sharing“ noch in Mode? Denn das Größte am Kochen und Backen ist doch: Den Genuss mit anderen zu teilen.

Bevor Nina, eine Tür weiter, an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt, verrät sie noch: „Als nächstes gibt es Grünkohl.“ Die dazu passenden Mettwürstchen aus ihrer Heimat hat ihre Mutter schon per Post geschickt.