Die Schauspieler Bettina Zimmermann und Kai Wiesinger spielen in der Internetserie „Der Lack ist ab“ ein Paar – und nehmen dabei die Zipperlein der Generation über vierzig aufs Korn.

Stuttgart - Die Mini-Webserie „Der Lack ist ab“ behandelt in zehn Episoden von jeweils zehn Minuten die großen und kleinen Probleme der Mittvierziger. Kai Wiesinger ist neben Bettina Zimmermann und nicht nur Hauptdarsteller sondern auch Co-Autor und Regisseur.

 
Frau Zimmermann, Herr Wiesinger, Sie sind vierzig beziehungsweise 49. Wann haben Sie das Gefühl gehabt: der Lack ist ab?
Wiesinger:Jeden Morgen, nach dem Aufstehen. Ich sehe ja nun nicht mehr so aus wie vor zwanzig Jahren.
Zimmermann: Man denkt doch mit vierzig, man sei eigentlich noch 25 und könnte sich in der Uni zu den Studenten stellen. Und dann fragen die: Was wollen Sie denn hier?
Sie arbeiten in einer Branche, in der das Älterwerden problematischer ist als in anderen Berufen.
Wiesinger: Deswegen haben wir ja die Serie „Der Lack ist ab“ produziert, um dem Jugendwahn in der Unterhaltung etwas entgegenzusetzen. Wir leben in einer Gesellschaft, die ein Körperideal geschaffen hat, was jenseits der Realität ist. Wir stehen zu unseren Schwächen, auch vor der Kamera. In unserem Alter kann man froh sein, wenn man graue Haare hat. Fünfzig Prozent der Menschen haben gar keine mehr.
Selbstironie als Stilmittel, um Zuschauer mit dem Älterwerden zu versöhnen?
Zimmermann: Genau. Ich genieße es zum Beispiel morgens, meine Kontaktlinsen erst einzusetzen, nachdem ich im Bad fertig bin. Ich glaube, wir Vierzigjährigen haben es aber schon viel leichter als unsere Eltern. Das hat etwas mit gesundem Essen und mit Bewegung zu tun. Wir sind die Generation, die mehr auf sich achtet.
Haben Sie trotzdem den Eindruck, Ihr Mann kann gelassener mit dem Thema umgehen, weil Männer ab vierzig weniger Angst haben müssen, nicht mehr besetzt zu werden?
Zimmermann:Das ist dieses alte Vorurteil: Frauen müssten sich die Haare färben, und Männer wären mit grauen Haaren erst sexy. Ich weiß nicht, ob Kai da gelassener ist. Natürlich steht er morgens auch mal da und sagt: Früher habe ich mal zwei Tage Sport gemacht, und die Speckröllchen waren weg. Und jetzt bleiben sie da.
Haben Sie schon mal mit einer Schönheitsoperation geliebäugelt?
Zimmermann: Ich glaube, davor hätte ich zu viel Angst. Bei einigen Schönheitsoperierten denke ich, sie sollten den Punkt finden, an dem man aufhören muss.
Wiesinger: Ich würde niemanden dafür verurteilen. Ich stelle mir das aber schwierig vor. Manche Leute sehen dann gar nicht mehr aus wie sie selber. Ich frage mich, was das psychisch mit einem macht.
Die Sitcom „Der Lack ist ab“ haben Sie für das Internetportal My Video produziert. Was reizt Sie am Internet?
Wiesinger: Ich habe schon viele tolle Rollen im Fernsehen gespielt und zuletzt den Bayrischen Filmpreis für meine Rolle als Christian Wulff in dem Film „Der Rücktritt“ bekommen. Leider ist es nicht so, dass man danach automatisch ähnlich gute Drehbücher bekommt. Deshalb habe ich selber angefangen zu schreiben. Das Internet bietet neue Möglichkeiten, Filme zu produzieren. Ich möchte aber nicht davon abhängig sein, dass ein Sender mir Geld dafür gibt, dass der Film eines Tages bei ihm ausgestrahlt wird. Ich möchte Filme machen, an die ich selber glaube.
Wer hat Ihre Sitcom finanziert?
Wiesinger: My Video ist eine Tochter der Pro Sieben Sat 1 Media AG. Durch Werbung vor dem Film wird die Produktion jetzt refinanziert. Es wird aber nicht der einzige Kanal bleiben. Das Internet bietet eine gute Chance, Unterhaltung viel breiter als bisher zu fächern.
Wie ist denn sonst Ihr Verhältnis zu den Neuen Medien?
Wiesinger: Ich nutze das Internet in erster Linie, um mich zu informieren. Als Kommunikationsmittel finde ich es gefährlich. Beziehungen kriseln, weil jemand den Mund eines Smiley falsch herum gemalt hat.
Ihre Kinder sind 14, 17 und sechs. Wie gefällt denen „Der Lack ist ab“?
Wiesinger: Die beiden Großen haben es schon gesehen und finden es gut. Das hat mich erstaunt. Unsere Serie handelt ja von Menschen über vierzig, und ich dachte, es gucken auch nur Menschen über vierzig. Wir haben bei Screenings aber festgestellt, dass es auch Zuschauer mit Mitte zwanzig lustig finden.
Was meinen Sie, woran liegt das?
Wiesinger: Dass es so authentisch ist. Mir war es wichtig, dass die Dialoge so klingen, als würden sie echte Menschen sprechen und eben nicht TV-Charaktere.
Herr Wiesinger, die Privatsphäre von Prominenten wird von den Medien nicht immer respektiert. Haben Sie keine Angst, dass diese Serie Spekulationen über Ihr Privatleben beflügelt?
Wiesinger: Nein, denn die Serie gibt ja überhaupt nichts über unser Privatleben preis. Die Geschichten stammen nicht eins zu eins aus unserem Alltag. Viele Geschichten kennen wir aus Gesprächen mit Freunden. Die haben wir uns zu eigen gemacht.
Frau Zimmermann, in der Sitcom spielen Sie Hanna und Kai Wiesinger ist Tom. Tom hat machohafte Züge. Wie viel von Ihrem Mann steckt in der Rolle?
Zimmermann: Na ja, der Tom ist aber ein liebevoller Macho. Bei Kai geht die Familie immer vor. Und er ist immer absolut ehrlich. Das haben die beiden gemein. In „Der Lack ist ab“ tritt er damit ständig ins Fettnäpfchen. Das ist im echten Leben zum Glück nicht so.
Die Sitcom „Der Lack ist ab“ erweckt den Eindruck, dass Sie sich gerne fetzen. Ist das privat auch so?
Wiesinger: Nein, aber dass Sie diese Frage stellen, zeigt mir, dass ich als Regisseur alles richtig gemacht habe. Ich liebe es, wenn der Zuschauer den Eindruck hat, uns privat zu sehen. Dann es ist ehrlich und nahe an der Wahrhaftigkeit, und um die geht es mir beim Filmen.
Die Zipperlein der Generation Ü 40: warum hat das Fernsehen das Potenzial dieses Themas noch nicht erkannt?
Zimmermann: Gute Frage. Im Fernsehen kommt das Thema Altwerden nur in Verbindung mit Menschen vor, die auch alt aussehen. Kai kam die Idee zu der Sitcom vor fünf Monaten, als wir beim Italiener saßen und er merkte, dass er eine Lesebrille braucht. Uns fiel auf, dass es anderen in unserem Alter auch so geht. Es kommen plötzlich Dinge auf einen zu, über die man sich mit zwanzig noch keine Gedanken gemacht hat. Es ist, als hätten wir in ein Wespennest hineingestochen. Inzwischen sind jetzt schon TV-Sender an uns herangetreten. Interessant, oder?