Sabine S. wirbt für den IS im Internet und heiratet in Syrien ein Mitglied der Terrororganisation. Mit ihm wohnt sie in verlassenen Häusern von Geflüchteten. Zum ersten Mal ahndet ein Gericht das als Plünderung.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Dreieinhalb Jahre lebte Sabine S. als Frau eines hochrangigen IS-Kämpfers im Herrschaftsgebiet des Islamischen Staates. Immer dort, wo ihr Ehemann Dienst tat – in Rakka, Manbij, Mossul und Tal Afar. Die Orte stehen für die Gräueltaten der Terrororganisation. Nach islamischen Ritus geheiratet hatte das Paar im Dezember 2013, nur wenige Tage nach Sabine S.s Ankunft in Syrien. Kurz danach bekam Sabine S. von ihrem Mann eine Beretta zur Selbstverteidigung. Drei weitere Waffen folgten. Sie zeigte sie als „meine Babys“ in ihrem Internetblog. Denn vor und während ihrer Zeit beim IS betrieb Sabine S. zwei Internetplattformen, auf denen sie IS-Propaganda machte und für die Ausreise nach Syrien und für den Kampf beim IS warb.

 

Das sei die Pflicht eines jeden Moslems, argumentierte und agitierte sie. Mittels Fotos dokumentierte sie Hinrichtungen mit den Worten „Wer den islamischen Staat aber bekämpft, hintergeht, verrät oder sonst was dagegen tut, um ihm zu schaden, der wird hingerichtet. Fertig!“ Als Frau eines IS-Mannes stand sie zehnmal exponiert ganz vorne.

Gericht begründet Urteil außergewöhnlich lang

Am Freitag verurteilte der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart die 32-Jährige zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Kriegsverbrechen gegen Eigentum und wegen Besitz von zwei Kriegswaffen und zwei weiteren zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Die Urteilsverkündung dauerte mit zweieinhalb Stunden außergewöhnlich lang. Der Vorsitzende Richter Herbert Anderer sprach immer wieder in Richtung von Sabine S. und begründete die Entscheidung ausführlich. Er zeichnete den Weg einer jungen Frau aus katholischer Familie nach, deren Leben nach Gewalterfahrungen in der Kindheit, Ausgrenzungen in Schule und Ausbildung, durch den Übertritt zum Islam im Jahr 2008 seine entscheidende Wende erfuhr. Sabine S. wurde Anhängerin eines radikalen Salafismus, besuchte in Berlin die Al-Nur-Moschee, einen Treffpunkt der salafistischen Szene.

„Es missfiel ihr immer mehr, in einer westlichen Demokratie statt in einem islamischen Land zu leben“, so Anderer. Die Rolle des Opfers als Erklärung für die Entscheidungen ihres Leben hielt der Senat nicht für glaubhaft. In einer langen – vom Gericht ausdrücklich positiv gewerteten – Erklärung hatte Sabine S. zum Prozessauftakt ihr Leben so dargestellt. „Wir wollen Sie als entscheidungsfähigen Menschen sehen“, sagte Anderer. So habe sie Ende 2013 bewusst entschieden, ihre beiden Kinder in Berlin bei ihrem gewalttätigen Ex-Mann zurückzulassen. „Sie wollten nicht Waisenkindern in Syrien helfen, sondern den IS unterstützen.“

Verteidigung geht in Revision

Es ist das erste Urteil, das die Inbesitznahme verlassener Wohnungen als Verstoß gegen das Völkerrecht und als Plünderung ahndet. Sabine S., ihr Mann und ihre in dieser Zeit geborenen beiden Kinder bewohnten Häuser, die ihre Besitzer bei der Flucht zurückgelassen hatten. Das und ihre Tätigkeit als Mutter und Ehefrau habe dazu gedient, den Herrschaftsanspruch des IS zu sichern und die Rückeroberung zu verhindern. Bei beiden Rechtsauffassungen beruft sich der Senat auf aktuelle Entscheidungen des BGH.

Als ihr Ehemann im Dezember 2016 starb und die Versorgungslage schlechter wurde, entschied sich Sabine S., zur Flucht. In Erbil wurde sie mit ihren Kindern inhaftiert. Mit Hilfe des Bundeskriminalamtes kehrte sie im April 2018 zurück nach Deutschland. Ihre Kinder leben bei Pflegeeltern. Ihr Verteidiger will Revision gegen das Urteil hinsichtlich der Plünderungen einlegen. Sabine S. hat sich vom IS distanziert und will an einem Deradikalisierungsprogramm teilnehmen.