Wie war das Weihnachtsgeschäft beim Fellbacher Handel? Je nach Branche fällt die Bilanz unterschiedlich aus. Doch es sind nicht nur schwächere Umsätze, die den Betreibern kurz vor Jahresende Sorgen machen.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Fellbach - Neben dem Weihnachtsbaum flattert ein großes Banner mit der Aufschrift „Sale“. Es soll Passanten vor dem Schuhgeschäft in der Bahnhofstraße auf Rabatte aufmerksam machen. „Eigentlich ist Winterschlussverkauf erst im Januar“, sagt die Inhaberin Maria Pirone. Doch um das flaue Weihnachtsgeschäft anzukurbeln, bot sie seit Wochen einen Nachlass von 20 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte der Lockdown die Einkäufe am Jahresende jäh unterbrochen. Jetzt konnte die Schuhhändlerin mit der 2G-Regel verkaufen – doch die Umsätze liegen unter dem Niveau des vergangenen Jahres. „Was soll man machen“, fragt Maria Pirone – und denkt an die Rückzahlungsforderung der Corona-Hilfe, von der auch ihr Betrieb betroffen ist.

 

Dass das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel unter den Erwartungen bleibe, sagt auch Sonja Zielke, Sprecherin der Werbegemeinschaft für die nördliche Bahnhofstraße. „Wenn es keine Einladungen von Kollegen gibt und viele im Homeoffice sind, dann braucht es auch keine Kleinigkeiten zum Verschenken“, sagt die Inhaberin von Sailers Geschenkideen. Weil sich auch in ihrem Laden die Kundschaft in Grenzen hält, will sie die Öffnungszeiten kommende Woche auf den Vormittag reduzieren und die Nachmittage zur Inventur nutzen. „Weihnachtsgeschäft konnte sich das nicht nennen“, sagt die Fellbacher Geschäftsfrau.

Staatliche Soforthilfe wird zurückgefordert

Eine große Belastung ist nicht nur aus Sicht von Sonja Zielke auch die Rückzahlung von Soforthilfe für den Lockdown im Frühjahr 2020. Viele kleine Betriebe in Fellbach haben Post von der L-Bank bekommen, in der Gelder zurückgefordert werden. „Erst hieß es, dass es keine Rückzahlungspflicht geben wird, nun kommt das böse Erwachen“, ärgert sich die Händlerin. Allein ihr Betrieb soll 9000 Euro erstatten. „Die Kleinen sind die Gebeutelten, während große Konzerne Kurzarbeitergeld erhalten und Boni zahlen“, formuliert Sonja Zielke ihren Ärger über die Politik – und über Online-Giganten, die hier „keine Steuern zahlen, aber die Infrastruktur nutzen und die Umwelt belasten“.

Sabine Hagmann vom Handelsverband Baden-Württemberg hat einen klaren Appell an die Politik: „Die Rückforderung der Soforthilfen vom Frühjahr muss unverzüglich ausgesetzt werden. In der aktuellen Situation, die von Umsatzminus und Ungewissheit dominiert wird, ist es elementar wichtig, Liquidität in den Unternehmen zu halten“, sagt die Hauptgeschäftsführerin. Auch der Handelsverband zieht ein ernüchtertes Fazit: „Die schlechte Bilanz besiegelt ein Weihnachtsgeschäft, das diesen Namen eigentlich gar nicht verdient hat.“ Und mit Blick auf die aktuelle Debatte stellt Hagmann fest: „Ein erneuter Lockdown für den Einzelhandel muss unter allen Umständen vermieden werden. Werden die Ertragsausfälle nicht ausgeglichen, überleben zahlreiche Unternehmen das finanziell nicht.“

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Den Blick aufs Positive richtet Ursula Haberl von der Boutique Cannstatter 80. Ihre Stammkundinnen hätten sie bewusst unterstützt und auch mal ein Geschenk etwa für eine Freundin mitbesorgt. Dennoch sei die mangelnde Frequenz schwierig – und die Aussichten aufs kommende Jahr unsicher wie selten. „Die Pandemie ist noch nicht ausgestanden, wir wissen nicht, was kommt“, sagt Ursula Haberl. So geht es auch Cordula Richter, Inhaberin der Boutique Candy in der Bahnhofstraße. „Was ist denn im Januar oder Februar“, sorgt sie sich nach dem mauen Weihnachtsgeschäft um die Monate, die im Einzelhandel traditionell umsatzschwach sind. Zufrieden war Richter im Sommer mit dem Verkauf. „Doch so, wie die Coronazahlen stiegen, sank bei mir im Laden die Zahl der Kunden“, sagt die Händlerin.

Je nach Branche sieht es aber teils auch anders aus. „Wir haben als sehr positiv erlebt, dass wir im Weihnachtsgeschäft unsere beiden Fellbacher Läden geöffnet lassen durften“, sagt die Haushaltswarenhändlerin Susanne Zerweck-Locher. Im Schlussspurt vor dem Fest habe sich das Geschäft spürbar belebt, mit dem Verkauf im Dezember könne sie nach einem wechselhaften Jahr zufrieden sein. „Schön wären jetzt natürlich mehr Verlässlichkeit und Stabilität“, sagt Susanne Zerweck-Locher.

Die Aktion „Fellbach hält zusammen“ wird fortgesetzt

„Wir sind für unsere Kunden da und versuchen, auf allen Kanälen den Kontakt zu halten – diese positive Botschaft möchten zahlreiche Fellbacher Händler nach draußen senden“, sagt der städtische Einzelhandelskoordinator Julian Deifel. Der Branchenmix sei breit, es gebe vielfältige Möglichkeiten, Weihnachtsgeschenke im Ort zu besorgen.

Ins gleiche Horn stößt Florian Gruner vom Stadtmarketing, das den Einzelhandel in der Adventszeit mit Aktionen unterstützt hat. Gerade die nach der Absage des Weihnachtsmarkts im Stadtgebiet verstreuten Buden hätten für eine schöne Atmosphäre gesorgt. „In der Coronapandemie wurde das auch von den Kunden geschätzt“, berichtet Gruner von positiven Rückmeldungen. Die Aktionen unter dem Slogan „Fellbach hält zusammen“ sollen 2022 fortgesetzt werden. Mit der Hoffnung, dass mit sinkenden Infektionszahlen die Kauflust wieder steigt.